Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

nicht sehr hilfreich für die Arbeiten von Notenbankern und die Geldpolitik. Deshalb bedarf es schon einer gehörigen Portion Disziplin auf Seiten der Notenbanker, diese Daten auch wirklich ständig in ihren Mo- dellen zu halten. Sie kritisieren aber noch eine andere Un- wucht, die in den Modellen schlummert. Was meinen Sie genau? Sims: Unwucht ist gut. Ich würde von einer echten Lücke sprechen, die aus meiner Sicht auch heute noch in den Modellen klafft. Das führt im Übrigen dazu, dass die Geldpolitik ein großes Problem hat. Noten- banker hassen es geradezu zuzugeben, dass sie keine wirklich umfassende Kontrolle über die Entwicklung der Inflation haben. Egal wo man hinschaut, ob nach Japan, Europa, Großbritannien oder die USA: All diese Länder und Regionen haben sehr, sehr lange Perioden mit sehr niedriger Inflation gehabt. In Japan dauert diese Phase nun schon Jahrzehnte. Was die Notenbanken aus meiner Sicht nicht getan haben: Sie haben nicht wirklich ernsthaft und mit dem not- wendigen Nachdruck darauf hingearbeitet, dass die Inflation höher würde oder zumin- dest auf dem Niveau stünde, auf dem sie nach den Zielmarken eigentlich sein sollte. Woran liegt das? Sims: Ganz einfach: Nichts von dem, was eine Zentralbank unternehmen könnte, wür- de helfen oder funktionieren, um die Infla- tion anzukurbeln. Es sei denn, man würde endlich dazu übergehen, in konzertierter Aktion mit der Fiskalpolitik beziehungs- weise steuerlichen Maßnahmen zu agieren. Einmal an dem berühmten Zero Lower Bound angekommen, braucht Geldpolitik die Hilfe in Form von steuerlichen Maß- nahmen, um von dieser Nominalzinsunter- grenze überhaupt wieder wegzukommen. Daher sollten sie eigentlich auf Modelle set- zen, die endlich anerkennen, dass steuer- politische Maßnahmen ein essenzieller Be- gleiter von Geldpolitik sein müssen, wenn die Zinsen so niedrig sind wie derzeit. Aber genau das tun sie nicht. Die Frage ist, ob Inflation überhaupt in den Griff zu bekommen oder zu kontrollieren ist. Sims: Das ist sie durchaus. Wenn die Preis- steigerung auf einem zu hohen Niveau ab- läuft oder außer Kontrolle zu geraten droht, dann funktionieren die Maßnahmen der Geldpolitik ja sehr gut, um nicht zu sagen perfekt. Die Notenbanken wissen, dass sie das Wachstum der Geldmenge begrenzen und die Zinsen anheben müssen, und auch die Kooperation mit der Fiskalpolitik funk- tioniert eigentlich gut, weil natürlich auch die staatlichen Autoritäten wissen, dass eine straffe Geldpolitik nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn es gleichzeitig nicht zu Auswüchsen bei der Staatsverschuldung kommt. Hier läuft sozusagen alles rund im Tandem zwischen Geld- und Steuerpolitik. Mein Wissenschaftskollege Tom Sargent hat das sehr gut herausgearbeitet, als er in einem Grundlagenwerk beschrieben hat, wie es im Prinzip in jeder Phase eines zu Ende gehenden Zyklus mit ausufernder In- flation auch zu einer Neuorientierung in der Steuerpolitik gekommen ist. Das wissen wir also. Worüber aber immer noch heftig dis- kutiert wird, das ist die Frage, was genau zu tun ist, wenn die Inflation so niedrig ist wie heute. Es gibt zwar eine Reihe von wis- senschaftlichen Aufsätzen dazu, an denen ich zum Teil auch mitgewirkt habe. Diese Arbeiten setzen sich vor allem mit fiskali- scher und monetärer Interaktion auseinan- der und beschreiben, wie man von der Nominalzinsuntergrenze wegkommen kann. Aber um das zu erreichen, muss man na- türlich über die Grenzen und Möglichkeiten einer Zentralbank hinausgehen und staatli- che beziehungsweise fiskalische Autoritäten miteinbeziehen. Die Geldpolitik selbst kann » Notenbanker hassen es geradezu zuzugeben, dass sie keine wirklich umfassende Kontrolle über die Entwicklung der Inflation haben. « Christopher Sims, Nobelpreisträger, Princeton University 52 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : CHR I STOPHER S IMS | PR INCETON UNI VERS I TY A L L E F OTO S : © CH R I S T I A N F L E MM I NG

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