Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

vorigen Jahrhunderts sehr viel stabiler wa- ren als heute. In den genannten Dekaden gab es im Grunde allerorten ein relativ ste- tiges Wirtschaftswachstum, einen sich stän- dig verbessernden Arbeitsmarkt und vor allem eine gesunde Inflationsentwicklung, die in den siebziger Jahren noch sehr viel volatiler oder variabler war. Das hat dazu geführt, dass Zentralbanker sich sozusagen selbst dazu gratuliert haben, dass sie insge- samt einen prima Job gemacht haben. Was man schon sagen kann, ist, dass das immerhin dazu geführt hat, dass die Finanz- märkte zunehmend darauf vertraut haben, dass Zentralbanker schon wissen würden, wie sie die Wirtschaft stabil und die Infla- tion im Griff halten können. Sims: Das mag schon sein, aber damit war eben noch nicht das eben angesprochene Problem der Nichtbeachtung des Finanzsek- tors in den Modellen aus der Welt. Denn es war genau dieser fehlende Fokus auf die Akteure an den Finanzmärkten, der es er- möglicht hat, dass bestimmte Marktteilneh- mer mit entsprechenden wirtschaftlichen Interessen, sprich Banken und andere Fi- nanzdienstleister, die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen konnten, um Stimmung zu machen für eine Lockerung der Regu- lierung und eine weniger strenge Überwa- chung durch die Aufsichtsbehörden. Und mit der zunehmenden Erkenntnis, dass De- regulierung eine gute Sache wäre, bekamen diejenigen Leute in den Aufsichtsgremien die Oberhand, die den Gedanken mitgetra- gen haben, dass es sinnvoll wäre, die Finanz- märkte einfach machen zu lassen. Das war im Grunde die Geburtsstunde von Verände- rungen in der Struktur der Finanzmärkte, vor allem aber von Produkten, die nicht gut verstanden und zu wenig überwacht wurden und die schließlich zum Desaster in Form der Finanzkrise geführt haben. Was ist seither passiert? Gibt es neue Mo- delle, auf denen Notenbanker aufsetzen? Sims: Im Grunde nutzen die Zentralbanken immer noch die sogenannten New-Keyne- sian-Modelle. Was sich allerdings deutlich verbessert hat: Heute ist man sich dessen bewusst, dass man den Finanzsektor in den entsprechenden Analysen und Prognosen durchaus mit abbilden muss, damit es nicht erneut zu den gleichen Fehlern kommt. Allerdings ist eine solche Berücksichtigung oder gar die Integration des Finanzsektors gar nicht so einfach. Weil es einerseits stimmt, dass der Finanzsektor eigentlich nicht sehr bedeutend ist für die Prognose von Inflation und Arbeitslosigkeit. Norma- lerweise verläuft der Finanzsektor ruhig, macht seinen Job, und die Beobachtung von entsprechenden Kennziffern ist eigentlich » Die Volkswirtschaften in aller Welt sind in den achtziger und neunziger Jahren sehr viel stabiler gewesen als heute. « Christopher Sims, Nobelpreisträger, Princeton University 50 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : CHR I STOPHER S IMS | PR INCETON UNI VERS I TY Makroökonom und Spezialist für Geldpolitik Christopher Albert Sims wurde am 21. Oktober 1942 in Washington D.C. geboren. Er ist Professor of Economics and Banking an der renommierten Princeton University. Im Jahr 2011 erhielt er gemeinsam mit seinem Wissen- schaftkollegen Thomas Sargent den Nobelpreis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Makroökonomie. Seine universitäre Laufbahn begann Sims im Jahr 1959 mit einem Studium an der Harvard University, das er vier Jahre später mit dem Bachelor in Mathematik abschloss. Bereits im Jahr 1968 promovierte er in Harvard im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Es folg- ten zwei Jahre als Assistenzprofessor, bevor er 1970 an die University of Minnesota wechselte. Hier war er bis zum Jahr 1974 Associate Professor und danach Professor, bevor er 1990 eine Professur an der Yale University antrat. Seit 1999 lehrt er an der Princeton University. Verschiedene Aufenthalte als Gastprofessor führten ihn 1974 nach Yale und 1979 ans Massachusetts Insti- tute of Technology (MIT). Im Jahr 2012 stand Sims der American Economic Association als gewählter Präsident vor. A L L E F OTO S : © CH R I S T I A N F L E MM I NG

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