Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

244 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : POR T RÄ T | UL R I CH MÜL L E R A m Ende wird sich der Besu- cher an den ersten Eindruck erinnern. Jenen, den er von dem Gebäude hatte: schnör- kellos, gerade Linien, effizient in der Fassa- denführung und transparent, weil sehr viel Glas. Die Rede ist von der Niederlassung der Joachim Herz Stiftung, ihres Zeichens die sechstgrößte Stiftung Deutschlands, ge- legen an der Peripherie von Ham- burg, nahe dem Flughafen. Das Grundstück wirkt auf den ersten Blick wie ein Campus. Auch auf den zweiten. Was in Ordnung geht: Denn der Stiftungszweck besteht aus der Förderung von „Bildung, Wissenschaft und For- schung in den Natur- und Wirt- schaftswissenschaften sowie der Persönlichkeitsbildung von Ju- gendlichen und jungen Erwach- senen“. Einer der wichtigsten Protago- nisten der Stiftung ist der in Bayern auf- gewachsene Ulrich Müller. Er firmiert als Finanzvorstand und war schon da, bevor es die Stiftung überhaupt gab. Ursprünglich verwaltete er das Vermögen des 2008 ver- storbenen Tchibo-Gründers Joachim Herz. Der Unfalltod des kinderlos gebliebenen Unternehmers führte zur Stiftungsgründung. Die ersten Jahre standen im Zeichen des Aufbaus. Aus einem Vier-Personen-Team, das bis dahin für die Vermögensverwaltung zuständig war, wurde ein 50-köpfiger Be- trieb mit der dazu gehörenden Infrastruktur, Immobilien, Personal. Außerdem musste ein Plan geschmiedet werden, wie das vor- handene Vermögen verwaltet, aber auch dem Stiftungszweck entsprechend reinves- tiert werden soll. Wir wollten wissen, wie eine Person tickt, die einen solchen Prozess nicht nur begleitet, sondern mitgestaltet hat. Müller ist heute für die Verwaltung von mehr als einer Milliarde Euro verantwort- lich. Als Mitglied des Vorstandes übt er durchaus auch Einfluss auf die deutsche Volkswirtschaft aus. Denn die Stiftung ist über die Holding Maxingvest nicht nur an Tchibo, sondern zu 17,5 Prozent auch an Beiersdorf beteiligt – einem Unternehmen, das weltweit 17.000 Mitarbeiter beschäftigt. Dass Müller über die dafür notwendigen Kompetenzen verfügt, daran besteht kein Zweifel. Wie die Lektüre seines Lebens- laufs belegt, kennt er das „Geschäft“ von allen Seiten und in allen Facetten. Es war Mitte der 90er-Jahre, als Müller zur Allianz Gruppe stieß, wo er in der Corporate Finance eingesetzt wurde. Schon damals ging es „um relativ große institutio- nelle Beträge“, wie er erzählt. Wir haben uns in einem der Konferenzzimmer getrof- fen. Man sitzt sich gegenüber, die Atmo- sphäre ist höflich, aber reserviert. Eine Tischreihe trennt die Gesprächspartner, man spürt: Kontrolle ist wichtig. Kontrolle über sein Leben hat Müller auch übernommen, als er von der in der Zwischenzeit ins Leben gerufenen Allianz Asset Management zum Family Office Wilhelm von Finck wechselte. Die heutige Deutsche-Bank-Tochter befand sich zu die- ser Zeit noch in privater Hand, gelenkt von Wilhelm von Finck persönlich. Das Hauptaugenmerk damals: Immobilien mit einer starken Konzentration auf die USA. Bei- de Erfahrungen – die Arbeit unter und mit einem Patriarchen sowie der Immobilienfokus – stellten sich für Müller als gute Schule heraus, als es darum gehen sollte, für das Single Family Office von Joachim Herz zu arbeiten. Dort dockte er aber erst 2007 an, davor arbeitete er für den Rückversiche- rungsgiganten Munich Re, womit das professionelle Erfahrungsprofil seine vorläufige Abrundung erfuhr. Die Stiftung selbst ist mit Abstand die jüngste unter Deutschlands Top Ten und beendete de facto erst zum Jahreswechsel ihre erste Entwicklungsphase. Zu diesem Zeitpunkt folgte Henneke Lütgerath der bis dahin an dieser Position tätigen Petra Herz als Vorstandsvorsitzender nach. „Frau Herz hat der Stiftung Leben eingehaucht“, erklärt Die noch junge Joachim Herz Stiftung hat ihre Gründungsphase hinter sich gebracht und stellt sich seit Jahresbeginn anlagetechnisch neu auf. CFO Ulrich Müller hat diesen Prozess von Anfang an begleitet – ein Porträt des Stiftungsstrategen. FOTO : © U L R I K E SCHM I D T »Es geht nicht nur um Philanthropie « Ulrich Müller frei assoziierend zu … … Transparenz: „Unabdingbar.“ … Risiko: „Individuell und dynamisch veränderbar.“ … Ertrag: „Als Mittel zum Zweck für die Stiftung.“ … Familie: „Von höchster Bedeutung.“ … Impact Investing: „Spannend und anspruchsvoll. Erfordert eine Menge Due Diligence.“ … Öffentlichkeit: „Wir alle.“ … Immobilienblase: „Kommt immer wieder vor. Und wenn eine kommt, dann zuerst in den USA.“ … Bill Gates: „Fünf Milliarden pro Jahr für den Stiftungszweck.“ … Steuern: „Unangenehm, aber notwendig.“ … Derivate: „Oft sehr nützlich, für unsere Stiftung aber eher nicht.“ » Wir sind weder eine Umwelt- noch eine Friedensstiftung. Wir verfolgen unseren Stiftungszweck über die Ausgaben (...). « Ulrich Müller auf die Frage, warum die Stiftung keine nachhaltigen oder ethischen Ausschließungsgründe in der Anlagestrategie festgeschrieben hat

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