Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

len Lernens – deshalb auch oft vielleicht nicht ganz korrekt Stützvektormaschinen genannt – löst man die nicht linearen Ver- haltensweisen von Wechselkursmechanis- men mithilfe des „Kernel-Tricks“. Dieser besteht, allgemein formuliert, darin, dass man einen linearen Klassifikator auf nicht linear klassifizierbare Daten anwendet. Das wird erreicht, indem man die Daten in einen höherdimensionalen Raum transformiert, in welchem man sich eine bessere lineare Separierbarkeit erhofft. Schwere statistische Geschütze Das Modell wurde mit täglichen Da- ten aus dem Zeitraum 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2007 trainiert. Ange- wendet wurden die bereits erwähnte SV- Methode und die Methode der kleinsten Quadrate (MKQ). Pseudo-Out-of-Sam- ple-Prognosen erfolgten vom 2. Januar 2008 bis zum 8. August 2016. Beide Methoden liefern de facto dieselben Ergeb- nisse und sind statistisch relevant. Die bes- ten Resultate (siehe Chart „Hohe Treffer- quote“) ergeben sich nach sechs Lags für die MKQ- und nach fünf Lags für die SV- Methode. „Beide Modelle prognostizieren für die Zeit unmittelbar nach dem Referen- dum eine mildere Abwertung; sobald der Chart aber in den Kanal zwischen 1,35 bis 1,30 Pfund je Dollar eintritt, wird der Pro- gnosefehler geringer“, erläutert Studien- Koautor Vasilios Plakandaras. „Die steile Abwertung im Nachhall des Referendums deutet außerdem auf einen strukturellen Bruch der Wechselkurssequenz hin.“ Eine Neuskalierung, in der das Modell bis zum 23. Juni trainiert wurde, brachte Ergebnisse, die den tatsächlichen Kurs bis 7. August mit einer Zeitverzögerung von zwei Tagen de facto 1:1 nachbildeten. „Aus diesen Resul- taten heraus können wir sagen, dass der UK-Unsicherheitsindex ein nützliches Mit- tel zu Vorhersage der Brexit-Effekte ist.“ Die Nachfrage, ob das Pfund nach dem Crash in einer Währungskrise steckt, ver- neint der griechische Finanzexperte übri- gens. Er sieht die Abwertung als Einmal- effekt, „der den Kurs in ein neues, niedri- geres Band gedrückt hat. Dort sollte er blei- ben, vorausgesetzt, es kommt zu keinen signifikanten Ereignissen.“ Für eine solche Stabilität spreche auch, dass „der Level an politischer Unsicherheit gegenwärtig niedri- ger ist als unmittelbar nach dem Brexit“. Definitionsproblem Währungskrisen gehören zu den am häufigsten auftretenden Verwerfungen mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die betroffenen Volkswirtschaften. Der Ein- bruch des Pfund, die andauernde Diskus- sion über die Überlebensfähigkeit des Euro, aber auch Sorgen, dass „das Drucken von Dollars gefährliche Risse im internationalen Geldwesen geschaffen hat“, wie sie Lan Cao vom Chapman College in ihrem Paper „Currency Wars and the Erosion of the Dollar Hegemony“ äußert, stärken die Sehnsucht nach starken Prognosetools. Diese gibt es derzeit aber nur ansatzweise. Akademisch etablierte Frühwarnsysteme liefern zwar mitunter eine relativ hohe Tref- ferquote; was die Vorhersage von Wäh- rungskrisen betrifft, scheitern sie in der Pra- xis aber relativ spektakulär. Zum einen schon an der Definition des Terminus selbst. Denn frei nach Grönemeyer stellt sich die Frage: „Wann ist eine Krise eine Krise?“ Wenn eine Währung um 15 Prozent abwer- tet? Oder sollte man eine Währungskrise an ihren Auswirkungen auf makroökonomi- sche Aspekte festmachen? Auf diese Her- ausforderung weisen Emin und Aytac zu Recht hin. Ihre Auswertung legt aber unfrei- willig dar, dass eine akademische Erfolgs- meldung in der Realität ein relativ kom- pletter Fehlschlag sein kann. Denn ein Frühwarnsystem, in dem es sich bei nahezu jedem zweiten Signal um falschen Alarm handelt, hat weder für Investoren noch für Entscheidungsträger einen besonders hohen Nutzen. Auch das auf Unsicherheitsindizes beruhende maschinell lernende Prognose- modell von Plakandaras bringt uns nur einen kleinen Schritt weiter. Die Prognose- fähigkeit ist sehr kurz gefasst, monatliche Modelle liegen in der Prognosesicherheit weit von den tatsächlich eingetretenen Kur- sen entfernt. Was nicht bedeutet, dass die Arbeit in dieser Richtung nutzlos ist. Ganz im Gegen- teil: Emin und Aytac weisen nach, welche makroökonomischen Faktoren stärkeren Einfluss auf das Entstehen von Krisen haben als andere. Die Analyse des Brexit- Szenarios gibt Aufschluss darüber, welche vorhandenen Indizes empirisch gesehen als Werkzeuge für Prognosetools herangezogen werden können. Die ersten Schritte sind also gesetzt. Der Weg in die Praxis muss noch beschritten werden. HANS WEITMAYR 158 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : WÄHRUNGS KR I S EN FOTO : © CHA PM . UN I V. Hohe Trefferquote Ex-ante-Prognosen, die auf dem Unsicherheitsindex EPU beruhen, sind erstaunlich präzise. Sowohl die Methode der kleinsten Quadrate (Prognose 1) als auch die Stützvektormethode (Prognose 2) deuten darauf hin, dass Unsicherheitsindizes die empirische Prognose von Währungskrisen gut unterstützen. Quelle: Studie 1,25 1,3 1,35 1,4 1,45 1,5 1. Juni 8. Juni 15. Juni 22. Juni 29. Juni 6. Juli 13. Juli 20. Juli 27. Juli 3. Aug. 2016 USD/Pfund Realer Kurs USD/Pfund Prognose 1 Prognose 2 Brexit » Das Drucken von Dollars hat gefährliche Risse im internationalen Geldwesen geschaffen. « Lan Cao, Professorin an der Chapman University, warnt in ihrem Fowler Law Research Paper vor Verwerfungen an der Dollar-Front

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