Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

errechnet, dass man zumindest 2,5 Millionen Florin Kurant hätte verkaufen müssen, um das Agio auf die bereits erwähnten drei Pro- zent zu drücken. Das Problem: Die danach verfügbaren Reserven an Handelsmünzen wären bei 1,2 Millionen gelegen, „gefährlich nahe an der Erschöpfung der Bestände“, wie es in dem Paper heißt. Wieder wäre eine Finanzspritze des Staates notwendig gewe- sen, die jedoch abermals nicht erfolgte. Die Bank konnte nicht gegensteuern, die Geldmenge wurde nicht nur nicht reduziert, sie wurde sogar leicht aus- geweitet, der Vertrauensverlust setz- te sich fort und führte in weiterer Folge zum Kollaps der Bank. „Am Ende versagte die Bank“, meinen Roberds und Quinn, „weil sie nicht vorhergesehen hatte, wie weit sie ih- re Geldpolitik hätte straffen müssen, um ihre eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Diese Erfahrung könnte nützliche Lektionen für unsere gegenwärtig bestehenden Notenbanken beinhalten.“ Fazit Der Blick zurück ins Amsterdam des 18. Jahrhunderts bietet Lehren für die Gegenwart. Zum einen die Tatsache, dass es möglich ist, über einen sehr langen Zeitraum erfolgreich Nullzins- politik zu betreiben. Entgegen der oft geäußerten Befürchtung, dass Noten- banken, denen das Instrument der Zinsänderung fehlt, über einen zu geringen Aktionsradius verfügen, hat die Wisselbank demonstriert, dass über den Einsatz von monetären Maß- nahmen beziehungsweise Eingriffen in den Sekundärmarkt eine effiziente Geldpolitik betrieben werden kann. Einschränkend muss gesagt werden, dass der Aufgabenbereich der Wissel- bank zunächst sehr eingeschränkt war und sich rein auf die Pflege der nie- derländischen Währung beschränkte und die Inflation damals de facto keine Rolle spielte. Aktuelle Notenbanken verfolgen – zumindest informell – Se- kundärziele wie Kapitalmarktstabilität, Wirtschaftswachstum oder Arbeits- marktstimulation. Die Bank fand auf- grund politischer Einflussnahme, die vor allem in die unerlaubte massive Kreditvergabe an die Ostindien-Kom- panie mündete, ihr Ende. Als der Hauptschuldner in Zahlungsnot geriet, war der Spielraum der Bank in der entscheiden- den Krisenperiode der 1780er-Jahre so ein- geengt, dass sie die notwendige Straffung der Geldpolitik nicht umsetzen konnte. 1795 wurde die Bank abgewickelt. Ob Benjamin Veitel Ephraim im Jahr 1763 bereits ahnte, dass das Ende der Wisselbank zwar noch nicht unmittelbar bevorstand, ihre Tage jedoch gezählt waren, wissen wir nicht. Das gewagte Vorhaben, zwei Tonnen Silber durch Amsterdam zu transportieren, trug jedoch Früchte. Nachdem er seine Wechsel bedient hatte, erwarb er im Jahr darauf die Konzession für eine Silbermine, kaufte Getreide und zahlte mit Scheidemünzen – genau die Art von Geld, die die Wisselbank eigentlich be- kämpfte. Er sollte die erste Notenbank der Welt jedenfalls überleben, wenn auch von Preußen aus, wohin er hatte fliehen müssen, nachdem er in Amsterdam wegen Betrugs gesucht wurde. Nach dem Aufstieg zum Hoffaktor verließ Ephraim, ähnlich wie die Wisselbank, am Ende das Glück. Er machte sich Feinde, wurde als Spion verhaftet, meldete Konkurs an und starb 1821 verarmt und geächtet. Wie er sein Leben sah, kann man übrigens in seiner Biografie nachlesen: „Ueber meine Verhaftung und einige andere Vorfälle meines Lebens“. Die „zweite ver- mehrte Auflage“ ist unter folgender TinyURL zu finden: goo.gl/R8gZK5. HANS WEITMAYR t 150 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NUL L Z I NS PHA S EN Einst und jetzt: 200 Jahre Marktintervention 24 Wochen nach Ausbruch der Krisen von 1763 und 2008 hatten sich die Bilanzen der jeweiligen Notenbanken deutlich ausgeweitet Unmittelbar nach Ausbruch der jeweiligen Krisen reagierten Wisselbank und Fed relativ gleich schnell, aufgrund des deutlich breiteren Arsenals hat die US-Notenbank ihre Bilanz letzten Endes aber deutlich stärker aufgeweitet. Quelle: Studie 0,50 -26 Wochen -24 -22 -20 -18 -16 -14 -12 -10 -8 -6 -2 -26 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Wochen 1,00 1,50 2,00 2,50 Assets skaliert auf Woche 0 Wochen vor und nach dem jeweiligen Kollaps: 0 = 1. August 1763 und 10. September 2008 Amsterdam: Traditionell Amsterdam: Bullion-Fenster Fed: Traditionell Fed: Central Bank Swaps, Agency Debt & MBS; AIG-Rettung Fed: Gelder an Kredit-Märkte (Non-Banks) Wöchentliche Assets von Wisselbank und Fed 1763 und 2008 » Einen Preisverfall in dieser Größen- ordnung hatte man bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht erlebt. « Isabel Schnabel, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, über das Ausmaß der Amsterdamer Finanzkrise von 1763 und den darauf folgenden „Shadow Run“ FOTO : © MA X- P L ANCK- I NS T I T U T E

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