Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

also ihre Bilanzsumme, wie die Grafik „Einst und jetzt: 200 Jahre Marktinterven- tion“ zeigt. Skaliert sind die Charts auf die jeweilige Stunde null, also August 1763 und September 2008. Bemerkenswert ist, dass das Timing der beiden Banken de facto ident ist. Auch die Ausweitung der traditio- nellen Geldmenge läuft noch relativ paral- lel. Sieht man sich dann aber das Ausmaß an außergewöhnlichen Assetklassen an, wird der Unterschied evident. Hier hat die Fed durch die Übernahme von Schulden, wie etwa der AIG, so massiv in den Markt eingegriffen, dass sich die Bilanzsumme am Ende der Beobachtungsperiode verdoppelt, die der Bank von Amsterdam hingegen um „nur“ 40 Prozent erhöht hatte. Was die Krise von 1763 außerdem so bemerkenswert macht, ist, dass sie keinen Bank Run, sondern einen „Shadow Run“ auslöste, also „die plötzliche Unmöglich- keit, frische Schuldverschreibungen zu ver- kaufen“, wie Quinn erklärt. Auch das ist eine Ähnlichkeit zur Krise von 2008. Die Bank von Amsterdam erholte sich trotzdem von dem Marktschock. Zumindest zeitweise. Es gelang ihr, das Agio wieder auf die Vier-bis-fünf-Prozent-Spanne anzu- heben. Erst mit dem vierten Englisch-Nie- derländischen Krieg begann der endgültige Niedergang der Bank. Die großzügige und regelmäßige Vergabe von Krediten an die Niederländische Ostindien-Kompanie sollte sich massiv rächen. Denn der finale Kon- flikt mit den Engländern schnitt die Kom- panie nicht nur von ihren Märkten ab, ihre Flotte wurde regelrecht ausgelöscht. Was folgte, war der Bankrott der Kompanie, die Bank von Amsterdam fiel um die entspre- chenden Kredite um. Als sich diese Nach- richt verbreitete, kam es abermals zu einem massiven Vertrauensverlust, der sich im Agio des Bank-Gulden niederschlug. Nach der Niederlage gegen die Engländer mit allen damit verbundenen Konsequenzen für den niederländischen internationalen und kolonialen Handel rutschte das Agio immer weiter ab, der Bank-Gulden verlor also immer weiter an Wert, der ehemalige Auf- schlag schlitterte sogar in negatives Terrain. Bankgeld war demnach plötzlich weniger wert als umlaufendes Geld. Die Bank ver- fehlte somit ihren ureigensten Zweck – Geldstabilität – und wurde schlussendlich im Jahr 1795 abgewickelt. Die Niederlande rutschten in die wirt- schaftliche und politische Bedeutungslosig- keit ab – was wiederum einen möglicher- weise dringenden Warnruf für das westliche Währungs- und Wirtschaftssystem darstellt. Das haben sich Quinn und Roberds auch gedacht und ähnlich wie für die Krise von 1763 herausgerechnet, ob die Bank gegen- steuern hätte können (siehe Grafik „Was wäre gewesen, wenn …“) . Die Antwort: Sie hätte. Die Einschränkung: Wenn man sie gelas- sen hätte. Denn ein Blick auf die Charts zeigt, dass die Bank, um das Agio nach der Niederlage gegen die Engländer zumindest wieder Richtung drei Prozent zu drücken, die Kre- dite, die sie vor allem an die Ostindien- Kompanie vergeben hatte, aus der Bilanz hätte bekommen müssen. Das war jedoch nicht machbar, „weil sich diese Kredite in einem politisch verordneten Zustand der Non-Performance befanden“, wie Roberds erklärt. Belässt man also die Kredite auf ihren historischen Werten, hätte man massiv Handelsmünzen auf den Markt werfen müs- sen, um die Nachfrage nach Florin Banco anzukurbeln. Quinn und Roberds haben 148 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NUL L Z I NS PHA S EN Was wäre gewesen, wenn … … die Wisselbank energischer gegen den Verfall des Florin vorgegangen wäre? Das Szenario stellt ein Lehrstück für die Gegenwart dar. Die Krise, die durch den vierten Krieg gegen England ausgelöst wurde, schlug sich in einem Verfall des Agio – also des Florin – nieder. Eine massive Straffung der Geldpolitik hätte das Agio wieder über 3,5 Prozent drücken können. Faule Kredite der Ostindien-Kompanie schränkten den Spielraum jedoch ein, womit eine Marktintervention unmöglich wurde. Quelle: Studie 4,5 % 3 % 1,5 % 1785 1784 1783 1782 12 % 9 % 6 % 1785 1784 1783 1782 5 % 8 % 2 % -1 % 1785 1784 1783 1782 10 % 4 % –2 % 1785 1784 1783 1782 6 % 2 % –2 % 1785 1784 1783 1782 4,5 % 3 % 1,5 % 1785 1784 1783 1782 Agio Kredite ungedecktes Geld W Wechselgebühr gedecktes Geld Geld total » Die Kredite (der Ostindien-Kompanie) befanden sich in einem politisch verordneten Zustand der Non-Performance. « Stephen Quinn von der Federal Reserve Bank of Atlanta erklärt, warum die Bank of Amsterdam über zu geringe Mittel verfügte, um den Geldmarkt effizient zu straffen

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