Institutional Money, Ausgabe 3 | 2017

beispielsweise in Form folgenden Szena- rios: Erfolgte ein Schock auf das Agio, was sich in einem unerwünschten Anstieg um 30 Basispunkte ausdrückte, was wiederum einer Standardabweichung von eins ent- spricht, reagierte die Notenbank, indem sie 400.000 Florin auf den Mark warf. Das Agio ging wie gewünscht zurück. Kompen- siert wurde der Markteingriff durch die Er- höhung der Kredite und ungedecktes Geld . Das erscheint schlüssig, bedeutet ein hohes Agio doch, dass das Vertrauen in den Florin Banco groß ist, was wiederum auf gute öko- nomische Rahmenbedingungen und eine hohe Nachfrage nach Krediten sowie ein reichliches Angebot an Handelsmünzen, die die Bank später verkaufen kann, hinweist. Der lange Atem Für die Gegenwart interessant ist nun, ob und wie langfristig sich ein Nullzinsregime mit den getesteten monetären Instrumenten bewährt. Neben den bereits erwähnten Parallelen war die Wisselbank im globalen Handels- zentrum Amsterdam, ebenso wie heute die Federal Reserve oder die EZB, internationa- len und exogenen Schocks oder Blasenbil- dungen ausgesetzt. Unter Druck geriet die Bank beispielsweise im Rahmen des Sie- benjährigen Krieges. Der hatte zu einem Boom auf den Rohstoffmärkten, insbeson- dere auf dem Getreidemarkt, geführt. Soft Commodities waren knapp. Zur Versorgung der diversen militärischen Apparate bestand eine extrem hohe Nachfrage nach Weizen und anderem Getreide. Ebenso knapp waren Edelmetalle als Grundstoff zur Münzerzeu- gung und zur Bezahlung des Soldes. Gerade im neutralen Holland führten diese Rahmenbedingungen zu einem Boom, der in eine Überhitzung des Finanzmarktes mündete. Gegen den Boom zu agieren war schwierig, den während „eine Lockerung der Geldpoli- tik immer möglich war, wurde eine Straffung durch die begrenzt vorhande- nen Sicherheiten ( Anm: also Handels- münzen und Edelmetall ) behindert“, wie Roberds erklärt. Dass die Kapazitäten der Bank be- schränkt waren, lag nicht zuletzt an der Stadt Amsterdam, die zwar relativ eifrig Gewinne entnahm, am Ende aber zu zu- rückhaltend war, als es darum gegangen wäre, Mittel zuzuschießen, um so das Eigenkapital der Bank zu stärken und die Interventionsmöglichkeiten zu erhöhen. Das führte dazu, dass die Bank ihr Tempo beim Verkauf von ungedeckten Handels- münzen ab 1760 aufgrund von Ressourcen- mangel immer stärker drosselte. Dass die Bank die starke Nachfrage nach Edelmetall nicht stärker befriedigte, führte zu einem Vertrauensverlust, folglich verlor der Bank- Gulden an Wert. Das Agio im Vergleich zum Kurant-Gulden sank weit unter das ange- strebte Preisband von vier bis fünf auf bis zu 1,5 Prozent ab. Im Rahmen von Median- szenarien haben Roberds und Quinn anhand der vorhandenen Notenbankdaten und der VAR-Methode herausgerechnet, wie stark die Bank intervenieren hätte müssen, um das Agio im gewünschten Rahmen zu halten. Demnach hätte die Wisselbank Handels- münzen im Wert von 3,2 Millionen Florin auf den Markt werfen müssen. Ende 1760 hatte sie aber nur mehr knapp 1,4 Millionen Florin im Tresor. Ein Darlehen der Stadt Amsterdam in der Höhe von wahrscheinlich rund 2,6 Millionen Florin wäre notwendig gewesen, um das zu bewerkstelligen, was politisch nicht machbar war. Nachdem die Bank die Liquidität nicht weit genug eingeschränkt hatte, war die Blase am Rohstoffmarkt immer weiter an- gewachsen. Aggressiv agierende Handels- banken wie die Gebrüder Neufville hatten ihre Bilanz über Wechsel und Kredite um den Faktor 2,5 gehebelt und massiv in den Getreidemarkt investiert. Als der Krieg endete, „brachen die Preise für Getreide zwischen Mai und August 1763 um mehr als 75 Prozent ein“, wie Isabel Schnabel vom Max Planck Institute for Research on Collective Goods als Koautorin in der Ar- beit „Liquidity and Contagion: The Crisis of 1763“ berichtet. „Zwar war nach dem Ende des Krieges mit einem gewissen Preisrück- gang zu rechnen; einen Preisverfall in dieser Größenordnung hatte man bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht erlebt.“ Wechsel wurden in der Folge fällig gestellt und konnten nicht bedient werden. Aus Ver- trauensmangel verlieh niemand mehr Geld, eine Liquiditätskrise folgte, die wiederum eine Pleitewelle nach sich zog – mit der Neufville Bank als Lehman-Pendant des 18. Jahrhunderts. Boom to Bust Das System war quasi über Nacht von Boom zu Bust gewechselt. Die Bank muss- te also, ähnlich wie später Fed und EZB, die Geldmenge ausweiten, um den Liquiditäts- engpässen entgegenzuwirken. Genau diese Parallelen zwischen der fernen und jüngsten Vergangenheit haben Quinn und Roberds in ihrem bereits erwähnten zweiten Paper, „Responding to a Shadow Banking Crisis“, untersucht. Das Repo-Fenster wurde in die- ser Zeit erweitert, indem man Florin Banco gegen alles kaufen konnte, was nicht niet- und nagelfest und edelmetallhaltig war. Das ist jetzt zugegebenermaßen etwas zuge- spitzt, die bei Weitem wichtigste zugelasse- ne Assetklasse waren Silberbarren. Hierbei handelt es sich genau um den Mechanis- mus, den sich unser eingangs erwähnter, un- ter Druck geratener Rohstoffhändler Benja- min Veitel Ephraim zunutze gemacht hat. Ähnlich wie 200 Jahre später Fed, EZB und Co. erweiterte die Bank von Amsterdam 146 N o. 3/2017 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NUL L Z I NS PHA S EN Hebel à la 18. Jahrhundert Die Gebroeders de Neufville Bank waren die Lehmans des Jahres 1763. Die Hebelung führte in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Finanzboom, der vor allem von Investitionen in den Getreidemarkt lebte. Als dort die Preise kollabierten, kam es zu Panik, Liquiditätsengpässen und Bankenpleiten. Quelle: Studie 0 100 200 300 400 500 Punkte Durschnittlicher Hebel auf wöchentlicher Basis Durchschnittliche wöchentliche Bilanz S 0 1 2 3 4 Multiplikator 5 1 Charles & Theopilus Cazenove Horneca Hogguer & Co. Raymond & Theodor de Smeth Vernede & Compagnie Gebroeders de Neufville George Clifford & Zoonen Andries Pels & Zoonen Hope & Compagnie I

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