Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
A ngenommen, jemand erzählt, dass er in einer histo- rischen Stichprobe einen Finanzindikator (Prädik- tor) mit einer Long-Short-Rendite von 100 Basis- punkten pro Monat gefunden hat. Man würde ihn fragen: „Woher kommt dieser Prädiktor?“ Wie würde sich die Ansicht über die Post-Sample-Rendite ändern,wenn der Prä- diktor a) auf einer Idee basiert, die in einer Topfinanzzeit- schrift (zum Beispiel dem Journal of Finance) veröffentlicht werden kann, oder b) durch das Mining von Zehntausen- den Bilanzkennzahlen aus der Suche nach Resultaten mit einem t-Wert von mehr als 2,0 gefunden wurde? Man könnte meinen, dass der in einer angesehenen Fach- zeitschrift publizierbare Finanzindikator eine höhere Post- Sample-Rendite zeigt. Denn um veröffentlicht zu werden, benötigt ein Prädiktor viel mehr Unterstützung als einen Wert in der t-Statistik von über 2,0, was einem Resultat auf einem Signifikanzniveau zwischen 90 und 95 Prozent entspricht: Er muss entsprechende Robustheitstests bestehen sowie unterstützende Indizien und eine theoretische Begründung aufweisen. Angesichts des Drucks und der Belohnungen in der akademischen Finanzwelt sowie der Warnungen vor Data-Mining, die praktisch in der gesamten Literatur zur Vermögenspreisbildung zu finden sind, erwar- ten manche vielleicht, dass der publizierbare Prädiktor eine viel höhere Rendite hat. Aber wie viel höher ist die ver- öffentlichbare Rendite in der Zeit, die auf den Zeitraum der untersuchten Stichprobe folgt? Mit anderen Worten: Wie sehr hilft von Experten begutachtete Kapitalmarktforschung im Vergleich zu Data-Mining bei der Prognose von Aktien- renditen? Um diese Frage zu beantworten, konstruieren Andrew Y. Chen, Principal Economist am Board of Governors des Federal Reserve Systems, Alejandro Lopez-Lira, Assistant Professor of Finance an der University of Florida, und Tom Zimmermann, Professor für Data Analytics an der Wirt- schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, das empirische Gegenstück zu einem Szenario. Sie vergleichen 200 veröffentlichte Prädiktoren, die aus „Open Source Cross Sectional Asset Pricing“ stammen, veröffent- licht 2022 in der Critical Finance Review, mit Data-Mining- Benchmarks. Die Data-Mining-Benchmarks stammen aus der Suche innerhalb von 29.000 Buchhaltungskennzahlen mit T-Statistik-Werten von mehr als 2,0 in den ursprüngli- chen Stichprobenzeiträumen der veröffentlichten Prädikto- ren. Die Kenngrößen sind einfach Quotienten oder skalierte erste Differenzen unter Verwendung von 240 Compustat- Buchhaltungsvariablen aus dem CRSP-(Center for Research in Security Prices)-Aktienuniversum. Die einzige Einschrän- kung dieser Quotienten besteht darin, dass eine Division durch Variablen vermieden wird, die typischerweise null oder negativ sind. Die Autoren bilden Long-Short-Portfolios für jeden Prädiktor und skalieren neu, sodass die durch- schnittliche Rendite der ursprünglichen Stichprobe 100 Basispunkte pro Monat beträgt. Schließlich vergleichen sie diese Renditen mit jenen aus dem Zeitraum nach der Stich- probe. Die Grafik „Viel Lärm um fast nichts“ illustriert das Ergebnis. Sie stellt die Fünfjahresrendite zum Eventzeit- punkt dar, wobei das Ereignis der Monat ist, in dem die ur- sprüngliche Stichprobe endet. Wie in der wegweisenden Metastudie von 2016 mit dem Titel „Does Academic Research Destroy Stock Return Predictability?“, publiziert im Journal of Finance, gezeigt, sinken die veröffentlichten Ren- diten nach der Stichprobe, bleiben jedoch deutlich über null und liegen im Durchschnitt bei 53 Prozent ihrer ursprünglichen Stichprobenmittelwerte und damit bei 53 Basispunkten pro Monat. Die Data-Mining-Renditen sinken Haben neu entwickelte Finanzindikatoren, die in renommierten Finanzzeitschriften nach Prüfung durch die Peergroup publiziert werden, eine höhere Prognosegüte als solche, die aus bloßem Data-Mining hervorgegangen sind? Unnütze Forschung? 96 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Finanzindikatoren FOTO: © FEDERAL RESERVE SYSTEM » Eine rigorose quantitative Modellierung führt nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen in der Praxis. « Andrew Y. Chen, Principal Economist am Board of Governors of the Federal Reserve System
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