Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
fenden Verbindungen zwischen Staaten erkannt und auf die besondere Wirksamkeit und die internationale Dimension von Politik und politischer Ökonomie hingewiesen. Zum zweiten beeindruckt eine Persönlichkeit wie Harms durch sein Bemühen, seine jüdischstämmigen und bekennend demokratischen Wissenschaftskollegen nach der Machtüber- nahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 vor der Verfol- gung durch SA-Männer und nationalistische Studierende zu schützen – gerade in der heutigen Zeit eine nicht zu unter- schätzende Haltung. Zudem ist es natürlich eine besondere Ehre, nun dem erlesenen Kreis der bisherigen Preisträger aus namhaften Wirtschaftswissenschaftlern dieser seit 1964 ver- liehenen Auszeichnung anzugehören … …zu denen wer zum Beispiel gehört? Prof. Hélène Rey: Es fällt natürlich schwer, einzelne Wissen- schaftskollegen auf dieser Liste hervorzuheben. Auf jeden Fall gehört eine Persönlichkeit wie Fritz Machlup dazu, mit dem ich nicht nur während meiner Lehrtätigkeit an der Princeton University zusammengearbeitet habe, wir gehören auch beide der von ihm ins Leben gerufenen Bellagio- Gruppe sowie der Group of Thirty an, beides international renommierte Gremien aus Ökonomen, Zentralbankern und Politikverantwortlichen. Dazu gehören aber auch so bedeutende Ökonomen wie Carmen Reinhardt, Charles Kindleberger, Gita Gopinath, Maurice Obstfeld, Anne Kruger oder Kenneth Rogoff.Mit allen verbindet mich sehr viel, nicht nur auf der professionellen Ebene. Viele der Genannten haben sich unter anderem mit dem Thema Wechselkurse auseinandergesetzt. Was dabei auffällt: Wenn man der vorherrschenden Lehrbuchmeinung Glauben schenkt, so gelten flexible Wechselkurse oft immer noch als Schutz vor wirtschaftli- chen Schocks im Ausland. Das hat Sie nie überzeugt, nicht wahr? Prof. Hélène Rey: Sagen wir es einmal so: Es hat mich nie so ganz überzeugt. Denn ich würde nicht grundsätzlich be- haupten, dass flexible Wechselkurse in bestimmten Dimen- sionen nicht von besonderem Nutzen sind, in vorderster Linie bei großen makroökonomischen Schocks. Der Rah- men für festgelegte Inflationsziele mit gleichzeitig flexiblen Wechselkursen, der von einer ganzen Reihe von Ländern adaptiert wurde, hat der Welt ohne Zweifel in schwierigen Situationen oft geholfen, das ist schon richtig. Aber der Glaube, dass sich durch flexible Wechselkurse gewisserma- ßen nahezu alle Probleme lösen lassen, blendet alle mögli- chen externen Einflüsse und insbesondere die Ausbreitung externer finanzieller Einflüsse speziell durch die amerikani- sche Federal Reserve Bank viel zu sehr aus. Ich denke, das ist wirklich etwas, das ich zu Recht in Frage gestellt und als nachweislich falsch nachgewiesen habe. Und ich spreche da- bei nicht von nur geringen oder vernachlässigbaren Einflüs- sen, sondern von Auswirkungen, die für die Politik einzelner Länder von enorm großer Bedeutung sind. Aufgrund welcher Tatsache? Prof. Hélène Rey: Aufgrund der Tatsache, dass die Geldpolitik der großen Zentralbanken einen wesentlichen Einfluss auf die finanziellen Rahmenbedingungen und wichtige Markt- segmente haben, der nicht nur für die Marktteilnehmer im jeweiligen Land oder in der eigenen Region relevant ist, son- dern für alle Marktteilnehmer weltweit. Das trifft im Beson- deren auf die Politik der Federal Reserve zu, im Falle von Sektoren wie etwa den Rohstoffmärkten aber in gewissem Maße auch auf die Geldpolitik Chinas oder der EZB.Weder in einem Emerging Market noch in einer kleinen offenen Volkswirtschaft und nicht einmal in einer fortgeschrittenen offenen Volkswirtschaft lässt sich beobachten, dass ein flexib- ler Wechselkurs ausreichen würde, um eine völlig unabhän- gige Kontrolle über die Geld- und Finanzierungsbedingun- gen in dem jeweiligen Land zu gewährleisten. Wollen Sie sagen, dass wirtschaftliches Handeln und dessen Finan- zierung alles andere als simpel funktionieren? Prof. Hélène Rey: So kann man das sagen. Denn es waren lange Zeit solche relativ einfach konstruierten Relationen 42 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Hélène Rey | London Business School FOTO: © AMY BIRTCHNELL » Der Glaube, dass sich durch flexible Wechselkurse gewissermaßen nahezu alle Probleme lösen lassen, blendet alle möglichen externen Einflüsse und insbesondere die Ausbreitung externer finanzieller Einflüsse zu sehr aus. « Prof. Hélène Rey, London Business School
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