Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

wünschen, sind Stabilität und Planbarkeit.“ Unternehmen könnten mit Komplexität umgehen, solange sie planbar sei. „Aber wenn die Unternehmen den Rechtsrahmen für die bAV nicht als stabil wahrnehmen, möchten sie lieber keine bAV anbieten. Unternehmen möchten keine Überraschun- gen, z. B. aus der BAG-Rechtsprechung, die langjährige und in der Praxis etablierte Lösungen infrage stellen.“ So käme man dem Ziel, die bAV auf eine breitere Basis zu stellen – insbesondere bei kleinen und mittelständischen Betrieben (KMU) –, nicht näher. Als wir auf die umfangreiche Regulatorik zu sprechen kommen, blitzt durch, dass auch sie die Sache als komplex ansieht. „Von allen Durchführungswegen trifft die Einrich- tungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) die meis- te Regulatorik“, sagt sie und zählt die wichtigsten Regulie- rungsinitiativen der letzten Jahre auf: die EBAV-II-Richtlinie, die eigene Risikobeurteilung (ERB), die Versicherungsauf- sichtlichen Anforderungen an die IT (VAIT), die demnächst durch die DORA-Verordnung abgelöst werden, in der es ebenfalls um die digitale operationale Resilienz im Finanz- sektor geht. Hinzu kommen die bilanziellen, steuerlichen und arbeitsrechtlichen Anforderungen. Ihre Aufzählung der Regulierungen ist endlos. … oder doch nicht? „Es ist ein enormer Kraftakt, all diese Regulierungen im Auge zu behalten und umzusetzen“,meint sie. Das gelte ins- besondere für viele der kleineren Pensionskassen. „Vielen von ihnen fällt es schwer, die entsprechende Expertise vor- zuhalten. Sichtbar wird das durch die Konsolidierung am Pensionskassenmarkt; und die BaFin fördert den Zusam- menschluss der Kassen auch explizit. Sie befürwortet größere Einheiten, die die regulatorischen Anforderungen dann auch umsetzen können.“ Eigenes Aufsichtsrecht für EbAVs Wünschen würde sie sich ein eigenes Aufsichtsrecht für EbAVs, das das Proportionalitätsprinzip stärker berücksich- tigt, und nennt auch gleich den Grund: „EbAVs – also Pen- sionskassen und Pensionsfonds – werden regulatorisch häu- fig so behandelt wie Versicherungen“, dabei gebe es markan- te Unterschiede. „Die meisten EbAVs sind gar nicht aktiv am Markt unterwegs, haben also weder Vertrieb noch Selek- tionsmöglichkeiten, weil sie bestimmte Mitarbeitergruppen eines Unternehmens komplett umfassen. Daher passen viele Dinge, die für Solvency-II-regulierte Unternehmen sinnvoll sind, nicht für EbAVs.“ Sie spricht damit einen sehr politi- schen Punkt an, denn die EU-Gremien versuchen, EbAVs soweit es geht in die Versicherungsregulatorik hineinzu- ziehen, während die EbAV-Vertreter die Unterschiede hervor- heben. Hanne Borst verweist auf die Subsidiärhaftung der Arbeitgeber. Eine solche Haftung in letzter Instanz gibt es bei den Versicherungsunternehmen in dieser Form nicht, wenn man einmal von Auffangeinrichtungen wie Protektor beziehungsweise Entis absieht. Um die betriebliche Altersversorgung weiterzuentwickeln, engagiert sich Hanne Borst bei der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba). Dort ist sie seit 2022 in der Leitung der Fachvereinigung der mathematischen Sach- verständigen und wurde im Mai 2023 in den aba-Vorstand gewählt. Daneben ist sie Mitglied in der Deutschen Aktuar- vereinigung (DAV) und im Institut der Versicherungsmathe- matischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS). Leidenschaft für bAV Warum so viel Engagement für die bAV? „Ich erwecke gern die Leidenschaft für bAV. Ich möchte erreichen, dass die bAV weiterentwickelt wird und sich ihr Verbreitungsgrad erhöht. Das treibt mich an.“Wichtig ist für sie, dass es beim Thema Retirement um Menschen und deren Versorgung imAlter geht und dass die bAV – imGegensatz zur privaten Vorsorge – bei den Versorgungsberechtigten keine eigene hohe finanzielle Bildung voraussetzt. „Daher ist die betrieb- liche Versorgung neben der gesetzlichen und der privaten so wichtig. Hier wird für die Mitglieder vieles durch den Arbeitgeber gemeinsam mit der Mitbestimmung vorkon- fektioniert; es handelt sich um durchdachte und effiziente Lösungen, und das ist wichtig.“ Sie findet es spannend zu sehen, wie sich die Bedürfnisse der Kunden entwickeln. „Der demografische Wandel, die Transformation vieler Branchen und die Erwartungen an eine Klimaneutralität verändern viele Unternehmen. Diese 238 N o . 4/2024 | institutional-money.com PORTRÄT | Hanne Borst | WTW Deutschland FOTO: © IRIS ULMER-LEIBFRITZ | AUGENWERK » Ich bin Aktuarin und sehe, dass die Lebenserwartung im Zeitverlauf zunimmt. Für den Einzelnen ist es schwer möglich, seine Lebensdauer abzuschätzen. « Hanne Borst, Mitglied der Geschäftsführung und Head of Retirement WTW Deutschland

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