Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

H anne Borst – studierte Mathematikerin und Ak- tuarin – leitet seit Oktober 2022 den Geschäfts- bereich Retirement Germany bei WTW und ist Teil der Geschäftsführung von WTW Deutschland. WTW steht dabei für ein globales Beratungsunternehmen, das sich um die Themen Mitarbeitende, Risiken und Kapitalanlage kümmert. „In diesem Jahr wurden in Deutschland für alle drei Säulen der Altersvorsorge wichtige Reformvorschläge vorgelegt“, startet sie ihren Impulsvortrag. „Mit dem Renten- paket II sollen durch Einführung eines Generationenkapitals sowohl die Beiträge als auch die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung stabilisiert werden.“Das Betriebsrenten- stärkungsgesetz II setzt zahlreiche Impulse, die auf eine Ver- breiterung der zweiten Säule, der betrieblichen Altersversor- gung (bAV), abzielen. Hier geht es in erster Linie um die Weiterentwicklung der Sozialpartnermodelle, eine Flexibili- sierung in der Kapitalanlage für Pensionskassen und um Anreize für KMU und Geringverdiener. Und in der dritten Säule, der privaten Altersvorsorge (pAV), soll durch den Referentenentwurf zum pAV-Reformgesetz eine sehr freie aktienbasierte Kapitalanlage auch ohne Garantien ermög- licht werden – und das Ganze mit staatlicher Förderung“. Die früheren Riester-Verträge seien in die Kritik geraten, weil sie zu kosten- und verwaltungsintensiv waren, bemängelt sie. Im Vortrag wirkt sie energisch. Da verwundert es nicht, dass sie in ihrer Freizeit ein ausgesprochener Outdoor- Mensch ist und Berge, insbesondere die Dolomiten, und Klettersteige liebt. „Jeden Urlaubstag mit 20.000 und mehr Schritten finde ich toll. Klettersteige zu gehen flutet mich mit Adrenalin“, sagt Borst. Abfederung der Risiken im Kollektiv Die Energiegeladenheit setzt sich im persönlichen Gespräch nach der Konferenz fort. Dabei wird deutlich, dass Hanne Borst insbesondere die zweite Säule, die betriebliche Alters- versorgung, am Herzen liegt. „Die bAV ist ein sehr effizien- tes Medium, um Altersvorsorge zu betreiben, da Skalen- effekte genutzt werden können und häufig der Arbeitgeber sich an den Kosten beteiligt oder sie vollständig übernimmt. Über Kollektive lassen sich zudem individuelle Risiken gut abfedern. Ich halte die bAV daher für einen richtig guten Als Hanne Borst die Gäste auf der WTW bAV-Konferenz in Frankfurt begrüßt, wird schnell klar: Hier spricht eine Frau, die für die betriebliche Altersvorsorge brennt und sich sehr tiefgreifend mit dem Thema Altersvorsorge in all seinen Facetten befasst. Hanne Borst frei assoziierend zu … … Digitalisierung: „Halte ich für wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Sollte unbedingt vorangetrieben werden, insbesondere die Bedingungen für Start- ups sollten verbessert werden.“ … Verbreitung der bAV: „Sollte ausgebaut werden, weil sie effizient und leistungs- stark ist und Risiken über das Kollektiv abgepuffert werden können.“ … Das Bemühen, Nachhaltigkeitsaspekte im Finanzmarkt umzusetzen: „Dieses Thema wird weiter voranschreiten, aber vermutlich nicht in dem Tempo wie ursprünglich gedacht.“ … Private Altersvorsorge: „Sichert immer nur ein Individuum ab. Erfordert eine Vielzahl individueller Entscheidungen und die entsprechende Finanzbildung.“ … Risikobehaftete Anlagen in der Altersvorsorge: „Halte ich für wichtig, weil Altersvorsorge langfristige Anlage- horizonte ermöglicht. Es ist aber wichtig, Transparenz über die Chancen und Risi- ken herzustellen.“ … Gender Pension Gap: „Ist ein wichtiger Gleichstellungsindikator. In Deutschland liegen die eigenständigen Alterseinkünf- te von Frauen 40 Prozent unter denen der Männer. Hier gibt es noch einiges zu tun!“ … Frauen in der Finanz- und der bAV- Branche: „Sichtbarkeit und Existenz könnten erhöht werden. Aber das ist nicht nur in unserer Branche so. Die Albright Stiftung hat kürzlich veröffentlicht, dass nur sechs DAX-Unternehmen drei oder mehr Frauen im Vorstand haben. Gut, dass es Netzwerke wie die Fondsfrauen oder Women in Pensions gibt!“ … Finanzbildung in Deutschland: „Die sollte ausgebaut werden und möglichst auch schon im Schulalter beginnen. Die Menschen sind viel zu wenig vorbereitet, wenn sie finanzielle Entscheidungen treffen sollen. Nur wenn man versteht, was man tut, kann man auch bewusst Risiken eingehen.“ … Komplexität der Altersvorsorge: „Die Vielfalt in der Altersvorsorge ist sehr hoch. Die Bundesregierung sollte über- legen, was wirklich effiziente Wege der Altersvorsorge sind. Die bAV gehört unbedingt dazu.“ » Die bAV begeistert mich! « 236 N o . 4/2024 | institutional-money.com PORTRÄT | Hanne Borst | WTW Deutschland » Ich erwecke gern die Leidenschaft für bAV. Ich möchte erreichen, dass die bAV weiterentwickelt wird und sich ihr Verbrei- tungsgrad erhöht. Das treibt mich an. « Hanne Borst, Mitglied der Geschäftsführung und Head of Retirement WTW Deutschland

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