Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

verschiedene Zeithorizonte hinweg. Bemerkenswert er- scheint in diesem Zusammenhang, dass die Prognosen in früheren Umfragezyklen oft von einem stärkeren Zinsan- stieg als dem dann tatsächlich eingetretenen ausgingen. Stark verschätzt Besonders auffällig ist jedoch die Prognose für 2022. Viele Banken unterschätzten den plötzlichen und signifikanten Anstieg des Zinsniveaus, der im zweiten Halbjahr 2022 ein- trat. Diese Abweichung verdeutlicht die Herausforderung, die mit der Prognose von makroökonomischen Wende- punkten einhergeht – und sich am besten an der unten ste- henden Grafik „Prognosequalität bei Renditen“ ablesen lässt: Die durchgezogene Linie basiert dabei auf einer Modellrech- nung, die dazu dient, ein ideales Szenario für die Entwick- lung der Bewertungsrendite zu skizzieren. Das Modell berücksichtigt verschiedene Annahmen, die unter stabilen Bedingungen gelten. Es bildet somit eine Art Referenzwert, mit dem die realen Beobachtungen verglichen werden kön- nen.Die diamantenförmigen Datenpunkte hingegen zeigen die von den Banken tatsächlich gemeldeten Bewertungs- renditen. Diese stammen aus den Jahren der LIRES-Erhe- bungen und spiegeln die realisierten Marktentwicklungen wider. Diese Punkte sind entscheidend, um die Diskrepanz zwischen den Modellannahmen und der Realität sichtbar zu machen. Die Darstellung ermöglicht es, sowohl kurzfristige Abwei- chungen als auch längerfristige Trends zu erkennen, und zeigt dabei nicht nur die Abweichungen zwischen theoreti- schen und tatsächlichen Renditen, sondern auch die Konsis- tenz der Werte über die Zeit. Liegen die Punkte nahe an der theoretischen Linie, deutet dies darauf hin, dass die Modelle die tatsächlichen Bedingungen relativ gut abbilden konnten. Signifikante Abweichungen hingegen legen nahe, dass uner- wartete Ereignisse oder makroökonomische Entwicklungen die Marktrealität beeinflusst haben, die in den theoretischen Annahmen nicht berücksichtigt wurden. Besonders relevant ist diese Darstellung im Kontext der Niedrigzinsphase. Hier lässt sich erkennen, wie präzise theoretische Modelle das Marktgeschehen in einem außergewöhnlichen Zinsumfeld beschreiben konnten. Die Nähe der Punkte zur theoreti- schen Linie liefert Hinweise darauf, ob die Modellannah- men für diese Phase adäquat waren oder ob Anpassungen nötig wären, um künftige Entwicklungen besser prognosti- zieren zu können. Auswirkungen auf das Risikobudget Die Untersuchung zeigt zudem, dass Zinsprognosen Ein- fluss auf das Zinsrisiko der Banken haben. „Banken, die mit steigenden Zinsen rechneten, passten ihre Risikopositionen entsprechend an.Dies deutet darauf hin, dass einige Institute ihre Geschäftsmodelle flexibel an veränderte Zinsumfelder anpassen konnten, während andere sich stärker auf das Fort- bestehen des Niedrigzinsumfelds verließen“, fasst Heckmann- Draisbach die Ergebnisse zusammen. „Zusammenfassend wird deutlich, dass die Erwartungen der Banken zum Zins- niveau nicht nur deren Planungsprozesse prägen, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf ihre Risikopositionen und Geschäftsstrategien haben. Die Fähigkeit, Zinsänderun- gen korrekt einzuschätzen, bleibt ein entscheidender Erfolgs- faktor, insbesondere in Phasen makroökonomischer Unsi- cherheit“, so Memmel. HANS WEITMAYR Prognosequalität bei Renditen Wie die Schätzungen von den tatsächlichen Zinskurvenverläufen abwichen Der Chart links zeigt die theoretische Bewertungsrendite als durchgezogene Linie sowie die Bewertungsrendite in den vier Zyklen der LIRES-Umfrage – also die tatsächlich eingetretenen Werte. Rechts die Rendite deutscher Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren sowie die Rendite eines idealisierten beziehungsweise theoretischen Niedrigzinsumfelds, das von Juni 2014 bis Juli 2022 andauerte. Quelle: Studie DBB 2015 2014 2013 2018 2019 2020 2021 2017 2016 2012 2011 2015 2014 2013 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2017 2016 -6 % -5 % -4 % -3 % -2 % -1,0 % -0,5 % 0,0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % Δ Anfang Δ Ende Theoretisches Niedrigzinsumfeld Rendite deutsche Bonds (3–5 Jahre) Progose Tatsächlicher Wert Rendite Zinsen in Prozent p. a. N o . 4/2024 | institutional-money.com 119 Bankenprognosen | THEORIE & PRAXIS » Diese systematischen Abweichungen lassen darauf schließen, dass die Prognosen nicht völlig objektiv oder rational sind. « Lotta Heckmann-Draisbach, Deutsche Bundesbank

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