Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
gen in dieser sehr spezifischen Region die Staatsanleihen Ka- sachstans „durch solide Fundamentaldaten gestützt. Neben seiner Rolle als wichtiger Ölexporteur profitiert Kasachstan derzeit von hohen Wachstumsraten und überwiegend lokal gehaltenen niedrigen Schuldenquoten.Wir sehen Chancen bei Anleihen in Lokalwährung, jedoch nicht bei US-Dollar- Anleihen, da diese im Vergleich zu anderen Emittenten mit BBB-Rating eng bewertet sind“, resümiert Tölsner. Case Kasachstan Kasachstan als Investment Case? Das klingt zumindest exo- tisch. Ein Blick auf den Rechtssicherheitsindex, der ja der Ausgangspunkt der Investmenttheorie war, zeigt jedoch auch hier: Mit eine Score von 4,64 liegt man knapp, aber doch vor einem Großteil der lateinamerikanischen Länder – und das bei de facto nicht vorhandener Investorenauf- merksamkeit. Möglicherweise zu Recht? Lassen die Daten schlicht nicht tief genug blicken? Um das herauszufinden hat sich Institutional Money am Rande des 15. Limassol Economic Forum mit Timur Turlov getroffen. Der Milliardär, ursprünglich in Russland geboren, hat als deklarierter Kriegsgegner die russische Staatsbürgerschaft zu- rückgelegt und die kasaschische angenommen. In Kasachs- tan selbst hat er den an der Nasdaq gelisteten Onlinebroker Freedom Holding gegründet. Von Zypern aus will er das Unternehmen, dessen Aktiennotierung nach einem Report von Hindenburg Research im August unter massive Hedge- fondsattacken geraten ist, um in weiterer Folge ein All Time High zu erklimmen, das Europa-Geschäft ausbauen. Hohe Renditen Turlov bestätigt in groben Zügen die durchaus positive Grundeinschätzung der Capital Group, gibt aber einen hochdifferenzierten Einblick in die Struktur des Landes: Mit Devisenreserven von über 100 Milliarden US-Dollar, einer positiven Zahlungsbilanz und einer stabilen Währung bietet das Land aus Sicht des Unternehmers eine durchaus verläss- liche Grundlage für Investitionen. Auch die Renditen bei den Staatsanleihen können sich sehen lassen, liegen diese doch zwischen 12 und 16 Prozent. Zum Vergleich: Mexikanische Staatsanleihen mir zehnjähri- ger Laufzeit werfen rund zehn Prozent Rendite ab. Beide Länder verfügen im IPRI-Ranking über einen Score von gerundet 4,6 Punkten. Dennoch bleibt das Interesse interna- tionaler Investoren an Kasachstan deutlich überschaubarer als etwa das an Mexiko. Das liegt natürlich zum einen auch daran, dass Mexiko einer der großen Profiteure des US- Friendshoring-Prozesses ist. Laut Turlov ist jedoch ein weite- rer Grund, dass „Kasachstan keinen akuten Kapitalbedarf hat.Die Regierung ist finanziell autark und sieht wenig Not- wendigkeit, internationale Investoren aktiv zu werben.“Ent- sprechend selten gibt die Regierung Investitionsgarantien ab. Diese Haltung hat auch historische Gründe: Nach der Finanzkrise von 2007 zog sich die Regierung ausländischem Kapital gegenüber zurück, insbesondere aufgrund negativer Erfahrungen mit volatil agierendem Kapital aus dem Ban- kensektor.Neben dem daraus resultierenden geringen inter- nationalen Interesse bleiben auch lokale Investoren im Corporate-Bereich vorsichtig: Aufgrund hoher Prämien für Staatsanleihen konzentrieren sich viele ausschließlich auf diese risikoarmen Anlagen. „Warum sollte jemand in Unter- nehmensanleihen investieren, wenn Staatsanleihen ähnliche Renditen mit geringerem Risiko bieten?“, fragt Turlov. Dieses konservative Finanzverhalten erstreckt sich auch auf die Pensionsfonds des Landes. Seit 2014 investiert die nationale Pensionskasse ausschließlich in Regierungspapiere, was die Bandbreite an Investitionsmöglichkeiten weiter ein- schränkt. Demografischer Druck Als eine der größten Herausforderungen des Landes ortet Turlov den wachsenden demografischen Druck. Trotz des relativ hohen volkswirtschaftlichen Wohlstands bestehen außerdemmassive Infrastrukturdefizite. Besonders imWoh- nungsbau zeigt sich ein deutlicher Bedarf, der durch restrik- tive Hypothekenkonditionen weiter verstärkt wird. „Die Hypothekenzinsen liegen bei 17 oder 18 Prozent – das ist für die meisten Menschen unerschwinglich“, kritisiert Turlov. Diese strukturellen Probleme stehen im Widerspruch zur Investitionsstrategie des Landes.Obwohl die heimische Wirt- schaft unterfinanziert bleibt, investiert Kasachstan erhebliche Summen international: Der kasachische Staatsfonds legt mehr als 60 Milliarden US-Dollar im Ausland an. „Wir müs- sen mehr in unsere eigene Wirtschaft investieren“, mahnt Turlov. „Es ist nicht nachhaltig, sich wie die Schweiz zu verhalten, während unsere Wirtschaft jung und wachstums- stark ist.“ Starker Finanzsektor Turlov sieht dennoch Chancen: „Wer sich auf den Finanz- sektor konzentriert und gezielt in die führenden Banken in- vestiert, kann von der wirtschaftlichen Dynamik Kasachstans profitieren.“ Denn während der Zugang zu Investitions- möglichkeiten außerhalb des Finanzsektors schwierig bleibt, bietet der Bankensektor laut Turlov „eine der stabilsten und transparentesten Anlagemöglichkeiten in der Region“. Und: „Die Banken sind nicht nur zentral für die kasachische Wirt- schaft, sie bieten auch eine hervorragende Transparenz und sind teilweise an globalen Börsen wie New York und Lon- don gelistet“, so Turlov abschließend. HANS WEITMAYR 108 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Emerging Markets Rechtssicherheit » Warum sollte in Kasachstan jemand in Unternehmensanleihen investieren, wenn Staatsanleihen ähnliche Renditen mit geringerem Risiko bieten? « Timor Turlov, CEO und Gründer Freedom Holding
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