Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024
B is zu 75 Prozent der Weltbevölkerung leben – je nach Quelle – in den Emerging Markets. Dass sich dieser Prozentsatz weder im Welt-BIP noch in den globalen Marktkapitalisierungen widerspiegelt, ist kein Ge- heimnis. Vollkommen vom Radar nehmen kann man die Region als Investor trotzdem nicht – Stichworte: Zukunfts- trends, demografische Entwicklung und natürlich Diversifi- kation. Gerade in jüngerer Vergangenheit ist das Thema wieder en vogue geworden – nicht zuletzt aufgrund der zweistelligen YTD-Performance, mit der die Emerging Markets bis Redaktionsschluss sowohl die Eurozone als auch den MSCI World hinter sich lassen konnten. In diesem Zusammenhang präsentiert sich Indien als Hoffnungsmarkt und teilt sich mit südostasiatischen Län- dern wie Taiwan oder Korea die Hoffnung auf Leapfrog- Effekte durch den Einsatz von KI. Diese treten jetzt schon auf, da die KI-Branche händeringend nach Programmierern und Trainern sucht.Das zweite große Thema sind Rohstoffe und Friendshoring. Hier stellt sich beispielsweise aus Sicht des schottischen Finanzhistorikers Russell Napier die ent- scheidende Frage, ob ein Emerging Market auf der Seite der USA oder auf der Seite Chinas steht. „Steht er auf der Seite Chinas, könnten Anleger alles verlieren – oder zumindest ein erhebliches Risiko eingehen. Steht er auf der Seite der USA, werden Kapitalzuflüsse weiter stattfinden.“ Von diesem Trend könnten Länder wie Chile profitieren – zu dem Land später mehr. Insgesamt gibt es laut Napier zwei Arten von Kapitalflüssen: Portfolioinvestitionen und ausländische Direktinvestitionen. Letztere werden in der „Friendshoring“-Ära eine bedeutende Rolle spielen. „Das ist unproblematisch“, meint Napier, „viele dieser Märkte – ich wage zu sagen, fast alle – weisen im historischen Vergleich solide Leistungsbilanzen auf. Sie ziehen Kapital an, ihre Aktienmärkte sind günstig bewertet.“ Insgesamt sei es nach Ansicht des Schotten wichtig, sich als westlicher Investor nicht in einem Markt zu engagieren, der sich im chinesi- schen Lager befindet. Die Liste der No-Gos ist zumindest in Asien kurz: Pakistan,Myanmar und natürlich Hongkong. Ein weiteres Kriterium, nachdem man Ausschau halten sollte, um sich gegen die regelmäßig auftretenden mächti- gen Downturns zu wappnen, ist für Napier der Respekt vor Eigentumsrechten.Derlei Risiken werden in diesen Märkten oft unterschätzt – denken wir nur an den russischen Ölkon- zern Yukos – seinerzeit der mächtigste Ölkonzern Russlands: Aufgrund der Rivalität mit seinem Gründer Michail Cho- dorkowski hat ihn Putin de facto enteignet. „Das Gute an Emerging Markets ist, dass wir inzwischen eine lange Geschichte mit ihnen haben. Somit zeigt sich in der Rückschau, ob Eigentumsrechte respektiert werden oder nicht.Würden wir eine Liste aller Emerging Markets erstel- len, könnten wir diese Märkte keinesfalls gleich bewerten. Einige Länder missachten Eigentumsrechte gänzlich. Es gibt jedoch auch Märkte, in denen Eigentumsrechte über lange Zeit hinweg gut geschützt wurden – Thailand,Malaysia und selbst Indonesien“, erklärt Napier, der Süd- und Südostasien grosso modo für die vielversprechendste Emerging-Markets- Region hält. Genau eine solche Überblicksliste haben wir – ohne An- spruch auf Vollständigkeit – erstellt (siehe Tabelle „Emerging Markets und die Rechtssicherheit“) . Als Quelle haben wir die aktuellen Daten des International Property Right Index (IPRI) herangezogen, der alljährlich über den nationalen Respekt vor Eigentumsrechten berichtet. Und tatsächlich: Der Index sieht die großen Volkswirtschaften Süd- und Süd- ostasiens mitunter weit vor prominenten Schwellenländern Wie vermeidet man bei Emerging-Markets-Investments Maximalverluste? Ein Meta-Ansatz, der den Respekt vor Eigentumsrechten, Geopolitik und informierten Mut zu Nische beinhaltet, könnte Anhaltspunkte liefern. Der Faktor Rechtssicherheit 104 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Emerging Markets Rechtssicherheit FOTO: © BRENDAN MACNEILL Eine Herzensangele- genheit Napiers: die Library of Mistakes: im-online.com/ LOM324 » Einige Länder missachten Eigentums- rechte gänzlich. Es gibt jedoch auch Märkte, in denen Eigentumsrechte über lange Zeit hinweg gut geschützt wurden. « Russell Napier, Ökonom, Autor, Gründer der „Library of Mistakes“
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