Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

Bürokratie-Burn-out (Teil 1) Die überbordende Bürokratie, insbesondere die umfangreichen Berichterstattungspflichten, bindet unglaubliche Ressourcen bei den Versicherungsunternehmen. Die Branche fordert, dass neben der Nachhaltigkeit jetzt auch das Thema Wettbewerbsfähigkeit angegangen werden sollte. D ie GDV-Konferenz über Versicherungsregu- lierung am 4. Juli in Berlin war im Prinzip ein eintägiges Klagelied, dass die Regulierung überbordet. „Wir hatten zuletzt über 77 Rechts- akte und 10.000 Texte, allein für die Versiche- rungsbranche. Dabei sind Auslegungsfragen noch nicht mitgezählt. Und das ist nur die EU- Regulierung. Gesetze auf nationaler Ebene sind dabei noch nicht berücksichtigt“, sagte GDV-Prä- sident Dr. Norbert Rollinger in seiner Begrüßung. „Wir fordern ein Moratorium für neue Regulie- rungen. Die Belastungsgrenze ist erreicht“, kon- statierte er. Die Branche habe einen Bürokratie- Burn-out. Mehr Augenmerk auf Wettbewerbsfähigkeit gefordert Neben der Nachhaltigkeit und der damit im Zusammenhang stehenden Berichtspflichten müsse jetzt auch das Thema Wettbewerbsfähig- keit wieder nach vorn kommen – so der Tenor der Konferenz. Tatsächlich braucht der Markt in- novative, renditeträchtige Produkte, insbesonde- re angesichts der Tatsache, dass die Lebensver- sicherer gern weiterhin federführend das Thema Altersvorsorge betreiben möchten. Tatsächlich verzeichnen die Lebensversicherer aber einen leichten Prämienrückgang, weil andere Finanz- produkte auch attraktive Konditionen bieten. So ist der Schlagabtausch zwischen den Versiche- rern einerseits und den Asset Managern ande- rerseits (Stichwort Fondsrente) aktuell in vollem Gange und wird durch die Reform der privaten und betrieblichen Altersvorsorge angeheizt, bei der nun auch die Asset Manager mehr zum Zug kommen sollen. Die Kölner Ratingagentur Assekurata stellt in ihrem „Assekurata-Marktausblick zur Lebensver- sicherung 2024“ bei den Lebensversicherern von 2023 auf 2024 einen Prämienrückgang um 1,7 Prozent fest; die gebuchten Bruttobeiträge schrumpfen von 89 Milliarden Euro auf 87,5 Mil- liarden Euro. Insbesondere das Einmalbeitrags- geschäft war zuletzt rückläufig – es ist um 5,2 Prozent geschrumpft, während sich die laufen- den Beiträge nur um 0,5 Prozent verringert haben. Laut Assekurata-Studie konnten 2023 nur sehr wenige Anbieter bei den Bestandsprämien einen Zuwachs verzeichnen. Positiv hingegen entwickelt sich das Geschäft mit Schaden-/Unfallversicherungen und mit pri- vaten Krankenversicherungen. „Die Lebensversi- cherung dürfte bald nicht mehr die prämien- stärkste Sparte sein – zum ersten Mal seit 1997“, schreibt Assekurata. Das ist bitter, weil es sich hier um ein durchaus margenträchtiges und vor allen Dingen langfristiges Geschäft handelt. Insofern ist der Hinweis, die Branche müsse sich wieder stärker mit der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte beschäftigen, nicht von der Hand zu weisen. Berichtspflichten enorm gestiegen Dr. Christoph Jurecka, CFO der Münchener-Rück- Gruppe, stimmt Rollingers Forderungen auf der GDV-Konferenz über Versicherungsregulierung zu. „Die steigende Regulierungsdichte ist kontra- produktiv“, meint Jurecka. Insbesondere die Berichtspflichten seien deutlich gestiegen. „Mit der Klimawandel-Risiko-Berücksichtigung in ORSA hat die Versicherungsbranche schon viel getan. Reichen diese Anforderungen nicht aus?“, stellt Jurecka eine eher rhetorisch gemeinte Frage. An die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) gerichtet äußert er die Bitte, mit der Ausgestaltung von ORSA keine wei- teren zusätzlichen Belastungen zu schaffen. Nur neun Abrufe im Monat Eine der vielen Offenlegungspflichten ist der Be- richt über die Solvabilität und die Finanzlage (SFCR). Er soll der Öffentlichkeit die wirtschaftli- che Lage des Unternehmens transparent machen. „Insbesondere die Textberichte werden kaum gelesen. Im Schnitt werden sie nur neunmal pro Monat heruntergeladen“, verweist Jurecka auf das geringe Interesse der Öffentlichkeit. „Im Rahmen der SFCR müssen die Unternehmen 200 bis 800 Datenpunkte jährlich berichten“, erklärt Jurecka. Das sei für die interessierte Öffentlich- keit wie Analysten und Fachjournalisten zu de- tailliert und zu technisch und daher eine schwer verdaubare Komplexität. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, weni- ger Datenpunkte zu berichten, aber diese besser vergleichbar zu machen. „Nicht dass zwei Unter- Die Versicherungsbranche wünscht sich weniger Green Deal und mehr Wettbewerbsfähigkeit. 266 N o . 3/2024 | institutional-money.com STEUER & RECHT | CSRD/ESRS FOTO: © ANKE DEMBOWSKI » Wir fordern ein Moratorium für neue Regulierungen. Die Belastungsgrenze ist erreicht. « Dr. Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) » Wir müssen Projekte, die einen Mehrwert für unsere Kunden brächten, zurückstellen, um die vielen Regulierungen anzugehen. « Monika Köstlin, CEO der Kieler Rück

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