Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

einfach am Rollen. Es sei denn, die Amerikaner sagen, wir beenden die Nachhaltigkeitsregulierung, oder sie strecken sie zumindest zeitlich“, überlegt Grellier. In Europa hält er diese Möglichkeit allerdings nicht für realistisch: „Wenn Sie in Deutschland ein Objekt haben, das nicht sehr hohe Nachhaltigkeitsansprüche erfüllt, ist es schwer, damit in die Neuvermietung zu gehen. Frankreich geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier dürfen Sie nicht vermieten, wenn Sie nicht ESG-konform saniert haben; das Gesetz untersagt es Ihnen“, macht Grellier deutlich, wie tief verankert die ESG- Gesetzgebung in Europa ist. Moritz Kraneis vom inhabergeführten Wohnungsunter- nehmen Deutsche Zinshaus ist bereits auf der Käuferseite. „Im Value-Add-Segment ist es sehr kompliziert, eine Trans- aktion unter Dach und Fach zu bringen.Dafür sind aber die Kaufpreise schon sehr weit runtergekommen. Büro wurde am härtesten abgestraft, aber ich glaube, wir haben noch ein Stück in diesem Marktsegment zu gehen, was Preiskorrek- turen betrifft. Vermutlich müssen wir nicht ganz so weit gehen wie in den USA. Dort ist es derzeit fast unmöglich, Büro zu finanzieren. Goldman Sachs hat dort kürzlich in St. Louis für drei Prozent des ursprünglichen Werts gekauft. Ich hoffe, dass es bei uns nicht so schlimm wird!“ Liquidität ist Trumpf Er weiß, dass man als Bestandshalter oder Käufer von Büro- immobilien strategisch vorgehen muss. „Wir kaufen Büro derzeit nur mit kommunalen Nutzern oder mit Unterneh- men, von denen wir wissen, dass sie nicht pleitegehen kön- nen.“ Kraneis nennt seine Preisvorstellungen: „Retaillastige Immobilien kaufen wir derzeit für das Acht- bis Elffache an, das geht allerdings nicht in A-Städten. Noch weiter unten sind Büroimmobilien; hier gehen wir in B- und C-Städte, denn dort finden derzeit überhaupt keine Bauaktivitäten statt.“ Büroimmobilien würde er also lieber in Aschaffen- burg kaufen als in Frankfurt. „In Frankfurt zahlt jemand dem Mieter den Umzug, dann ist er weg.“ Entsprechend hoch sei der Preisdruck bei Büros. „In C-Städten zahlen wir aktuell maximal das 11-Fache, in B-Städten bis zum 14-Fa- chen, und selbst in A-Städten gehen wir in der aktuellen Marktlage nicht über das 16-Fache hinaus. Das Ganze je- weils in einem guten Zustand – sonst zahlen wir weniger“, verdeutlicht Kraneis die Preisspanne. Die Frage, was Bestandshalter tun könnten, beantwortet Grellier daher so: „Sie sollten sehen, dass sie ihre Liquidität halten, um in ihren Beständen zu arbeiten und die Objekte weiterzuentwickeln. Und im Fall von Verkäufen funktionie- ren womöglich gute Package Deals, wo gute mit weniger guten Immobilien gemischt werden.“Er verweist darauf, dass viele Bestandshalter von den Mieteinnahmen leben. „Hier sollte man sehen, dass es mit den Mietern gut funktioniert“, meint Grellier. Auch Kraneis hat Tipps für Bestandshalter: „Wer niedrig finanziert und noch Mietsteigerungspotenzial hat, sollte sein Mietsteigerungswachstum realisieren, indem er ESG-light saniert“, so Kraneis.Wer aber unbedingt Liqui- dität brauche, um sein Portfolio zu retten, müsse vielleicht etwas verkaufen, um es in Summe zu verbessern. „Börsen- notierte Wohnungsgesellschaften verkaufen permanent, um ihre Liquidität hoch zu halten, aber auch, um ihre Anleihen zurückzuführen“, erläutert Kraneis. Liquidität sei eben das A und O in der aktuellen Marktsituation. „Wir sehen uns der- zeit auch illiquide geschlossene Fondsthemen an. Da kön- nen wir aktuell zu attraktiven Abschlägen von mehr als 15 Prozent etwas kaufen“, meint Kraneis. Er ist nicht der einzige Opportunist, der selektiv bereits interessante Einstiegskonditionen sieht. „Viele institutionelle Investoren in Europa haben jetzt auch andere attraktive Anlageklassen, die ihnen obendrein regulatorische Vorteile bringen. Bei Gewerbeimmobilien sehen wir jetzt Family Offices, die sich als erste Käufer vorwagen. Die haben weni- ger mit Regulatorik zu tun, wollen aber attraktive Preise sehen. Es gibt auch Investitionschancen in Infrastruktur und Real Assets, insbesondere im Bereich erneuerbare Energien. Auch Investoren aus dem arabischen Raumwollen teilweise wieder investieren, aber auch die können rechnen. Irgend- jemand muss den Preis-Cut hinnehmen“, spricht Grellier aus, was viele wissen, sich aber nicht eingestehen wollen, schon gar nicht für das eigene Portfolio. Kraneis macht ebenfalls schon Opportunisten aus: „Es gibt Investoren, die stark auf Zyklen gehen.Die merken, dass das Preisniveau jetzt langsam wieder interessant wird. Den absoluten Tiefpunkt erreichen Sie nie, aber die fangen jetzt an zu kaufen, weil sie die Phase der günstigen Preise nicht verpassen wollen. Wir bereiten einen Fonds vor, der nach den Sommerferien startet. Das Zielvolumen sind 250 Mil- lionen Euro, und das Eigenkapital ist bereits eingesammelt“, sagt Kraneis. Pensionskassen und Versorgungswerke sieht er noch nicht so aktiv auf dem Spielfeld. „Aber Versicherungen und Banken und natürlich Family Offices mit ihren kurzen Entscheidungswegen überlegen schon wieder: Wo investiere ich langfristig?“, beobachtet Kraneis. Schlaues Geld ist gefragt Zusammenfassend lässt sich feststellen: Wer heute am Of- fice-Markt unterwegs ist,muss sich auskennen, denn es gibt noch zahlreiche Überschriften „Die Büro-Immobilie ist tot“. Das verunsichert diejenigen Investoren, die sich weniger gut mit Immobilien auskennen. Erfahrene Immobilieninvesto- ren sind bereits wieder unterwegs und können jetzt relativ günstig einsteigen. ANKE DEMBOWSKI 224 N o . 3/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Gewerbeimmobilien FOTO: © WEALTHCAP » Jetzt schlägt die Stunde des aktiven Bestandsgeschäfts. Wir modernisieren und steigern so unser Mietpotenzial. « Johannes Seidl, Geschäftsführer Immobilien und Alternative Investments bei Wealthcap, einem AM für Real Assets Die Frage, ob im Büroimmobilien- markt die Talsohle bereits erreicht ist, wird weniger ein- deutig beantwortet als beim Wohn- immobilienmarkt.

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