Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

Angesichts dessen wundert es nicht, dass Nachhaltigkeits- investoren seit zwei, drei Jahren von konservativen Politikern und Marktakteuren unerwarteter neuer Gegenwind entge- genbläst. Dies gilt insbesondere in den USA und dort im Speziellen in den republikanischen Bundesstaaten, deren Politiker sich im Rahmen einer Anti-Woke-Politik auf ESG- Investments einschießen. Aber auch in Europa verliert Nachhaltigkeit etwas in der Gunst, da aufgrund des Ukrainekriegs, höherer Energiekos- ten und Inflationsraten „klassische“ Probleme nunmehr drängender sind als der Schutz des Weltklimas. „Solange keine Klarheit über die weitere Zukunft besteht, werden die Anleger wohl eher abwarten“, prognostiziert Rajan. Trotz temporären Gegenwinds, auf lange Sicht wurden und sind die Weichen in Richtung nachhaltiges Investieren gestellt. So betont Rajan, dass die Mehrzahl der Pensions- fonds in den vertiefenden Interviews erklärte, dass ihrer Ein- schätzung nach die neuen ESG-Maßnahmen die größten Treiber für Veränderungen imÖkosystem der Kapitalmärkte sind, noch vor anderen strukturellen Aspekten. Allokationsaspekte Zur Klärung der dritten übergeordneten Forschungsfrage („Welche Aspekte der Vermögensallokation werden am ehes- ten betroffen sein?“) wurden die Pensionsfonds unter ande- rem gefragt, welche der drei jeweiligen ESG-„Säulen“ sie „derzeit“ als am wichtigsten erachten. Wie in der Vergan- genheit dominiert auch derzeit die im Buchstaben „E“ sub- sumierte Umwelt (Environment/Ecology, 60%) klar vor „S“ (Social, 21%) und „G“ (Governance, 19%). Die Studien- ersteller wollten in der Folge wissen, welche ESG-Säule im Pensionsfondsportfolio von den ESG-Regulierungsmaßnah- men am stärksten respektive amwenigsten profitieren wird. Auch hier ist das Votum klar pro „E“: 78 Prozent der Inves- toren schätzen, dass die „Umwelt“ profitieren wird. Im Um- kehrschluss glauben nur 22 Prozent, dass „E“ am wenigsten profitiert. „S“ und „G“ zählen unterm Strich zwar ebenfalls (S: 61% vs. 39%, G: 55% vs. 45%) zu den Profiteuren, kom- men an das dominierende „E“jedoch nicht heran (siehe Gra- fik „Relevanz der ESG-Säulen“) . „Der Grund dafür, dass die Umwelt imVordergrund steht, liegt auf der Hand: Die meis- ten der wichtigsten regulatorischen und politischen Maß- nahmen zielen auf die Anpassung an den Klimawandel und seine Eindämmung ab“, kommentiert Rajan. Im Folgenden wurde gefragt,welche Assetklassen von den ESG-Regulierungsmaßnahmen auf Sicht der nächsten zwei und fünf Jahre jeweils am stärksten profitieren werden. Dabei zeigt sich, dass Zuwächse sowohl bei Anleihen und Aktien als auch bei Alternative Investments erwartet werden. Dies gilt einmal für das Zweijahreszeitfenster, insbesondere jedoch für den Beobachtungszeitraum von fünf Jahren (siehe Grafik „Nutznießer“). Aus regionaler Sicht sollten die Märkte der Industriestaa- ten am meisten profitieren, während den Schwellenländer- märkten lediglich Ausstrahlungseffekte („Spillover“) zugute kommen. Befragt, wie sich die Regulierung auf das ESG-Portfolio auf Sicht von drei bis fünf Jahren hinsichtlich der Kriterien „Diversifikation“, „Liquidität“, „Investmentrenditen“ und „Volatilität“ auswirken könnte, erklärten die Manager, dass sie Vorteile vor allem bei der „Diversifikation“ (51% Zustim- mung) und den „Investmentrenditen“ (52%) erwarten. Zum Vergleich: Bei den Punkten „Liquidität“ und „Volatili- tät“ gab es nur von 39 respektive 36 Prozent der Befragten eine positive Einschätzung. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien in die Praxis seitens der Pensionsfonds und von anderen Institutionellen erfolgt Rajan zufolge jedoch nicht in einem Guss, sondern schrittweise durch über „adaptives Lernen“, wobei die Ent- wicklung mit einer aufsteigenden „J-Kurve“vergleichbar sei. „Viele unserer Befragten sind der Meinung, dass die Kapital- märkte bei der Anpassung an neue Vorschriften und Strate- gien nicht analytisch vorgehen, sondern durch Versuch und Irrtum, was die Entwicklung einfacher Faustregeln ermög- licht, die sich zu neuen Heuristiken entwickeln und die alten im Lauf der Zeit schrittweise ablösen“, erklärt Rajan. Nachhaltig passiv Vor dem Hintergrund des allgemeinen Booms bei ETFs gingen die Studienautoren in einem Extra-Kapitel der nahe- liegenden Frage nach, ob und inwieweit Indexprodukte auch im ESG-Bereich in institutionellen Portfolios Fuß fassen. So befragte Create-Research die Pensionsfonds, wie hoch sie aktuell den Anteil von ESG-Investments sowohl in ihrem „aktiv verwalteten“ als auch in ihrem „passiv verwal- teten“ Portfolio schätzen. Dabei zeigt sich, dass im aktiven Unterschiedlich hohe ESG-Anlagen ESG-Investments im aktiv und im passiv verwalteten Portfolio Wie hoch ist derzeit der ungefähre Anteil aller ESG-Investitionen in den beiden Portfolios Ihres Pensionsplans? Im aktiv verwalteten Portfolio (links) ist der Anteil an ESG-Investments etwas höher als im passiv verwalteten Portfolio (rechts). So erklärten 43 Prozent (Summe aus 27 % und 16 %) der Befragten, dass im aktiven Portfolio ESG-Investments mittlerweile mehr als 20 Prozent Portfoliogewichtung aufweisen. Im Gegensatz dazu haben im passiven Portfolio lediglich 28 Prozent (Summe aus 17 % und 11 %) eine ESG-Allokation von mindestens 20 Prozent Gewichtung. Das liegt daran, dass Investoren ESG-Investments zuerst in aktiv verwaltete Portfolios aufnahmen, da passive ESG-ETFs erst später zur Verfügung standen. Quelle: Umfrage 8 % 25 % 24 % 16 % 27 % Aktiv verwaltetes Portfolio 16 % 23 % 33 % 11 % 17 % Passiv verwaltetes Portfolio > 30 % 21–30 % < 1 % 1–10 % 11–20 % In Prozent der Teilnehmer 178 N o . 3/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Pensionsfonds-Umfrage

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