Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024
Denn nur so gelingt es, die negativen Auswirkungen einzel- ner „Value Traps“ zu mildern. Ferdinand Haas: Wenn man sich länger mit dem Thema Factor Investing auseinandersetzt, fällt auf, dass diese Art zu investieren zu einer enormen Stabilität hinsichtlich der erzielten Performance führt. Deshalb muss man sich doch fragen, warum sich bisher in erster Linie vor allem sehr große institutionelle Investoren wie Staatsfonds dieser Anlageform bedienen.Was hält andere Anleger davon ab? Wilma de Groot: Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass man den anhaltenden Erfolg von Factor Investing als Ano- malie sieht. Aber wenn man sich intensiv und lang genug mit dem Thema beschäftigt, gelangt man schnell zum Schluss, dass es eben stabile Verhaltensmuster gibt, wie wir sie auch aus anderen Bereichen unseres Lebens kennen. Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir: Viele Gewohnheiten und Muster menschlichen Verhaltens sind nur sehr schwer zu ändern.Um es ganz plakativ zu beschreiben: Ich versuche schon seit langer Zeit, dafür zu sorgen, dass mein Mann jeden Tag seine Socken wegräumt. Und ich kann Ihnen nur sagen, dass es bis heute schwierig ist, sein Verhalten in dieser Hinsicht zu ändern, selbst nach mehr als 20 Jahren. Hans Heuser: Wollen Sie sagen, dass es das systematische Vorgehen beim quantitativen Investieren ist, das davor schützt, wie die Mehrheit der Investoren in die immer wieder gleiche Falle zu tappen? Wilma de Groot: Eine wissenschaftliche Disziplin wie Beha- vioral Finance hat uns doch hinlänglich gezeigt, dass es selbst dem professionellen Kapitalmarktteilnehmer enorm schwerfällt, sein Verhalten zu ändern oder so anzupassen, dass er eben nicht der Masse folgt. Denken Sie nur an die zuletzt im Zusammenhang mit der Entwicklung der als Magnificent Seven bezeichneten Gruppe von Wachstums- aktien zu beobachtende Erscheinung. Ich kenne nur wenige Anleger, die nicht schon darüber nachgedacht hätten, ob sie nicht etwas verpassen, wenn sie nicht investiert sind, und stattdessen ohne zu zweifeln und mit Bestimmtheit ent- schieden hätten: Nein, ich brauche preisgünstige und unter- bewertete Value-Aktien für mein Portfolio. Im Prinzip ist das sogar der eigentliche Grund dafür, dass es solche Anomalien, von denen ich eben gesprochen habe, überhaupt gibt und dass sie dauerhaft bestehen bleiben.Und diese versuchen wir mit Factor Investing bewusst zu nutzen. Michael Heldmann: Man könnte die Antwort auf die Frage nach einer bisher nur geringen Verbreitung von Faktorin- vestments in der Breite der Anlegerschaft sogar noch etwas konkretisieren, indemwir festhalten, dass es im Prinzip zwei wesentliche Gründe sind, warum nicht eigentlich jeder fak- torbasiert anlegt. Der erste liegt darin begründet, dass eine besondere Stabilität beim Investieren, wie wir eben bereits festgestellt haben, sehr eng mit einem entsprechenden Risi- komanagement verbunden ist. Das führt letztlich dazu, dass wir beim professionellen Faktorinvestment ein Ergebnis anstreben müssen, das einen nur relativ geringen Tracking Error aufweist im Vergleich zu einer sogenannten High- Conviction-Strategie, die sich auf wenige, individuell ausge- suchte Einzelwerte konzentriert. Es wird nicht gelingen,mit einem quantitativen Investment einen hohen Tracking Error von sechs Prozent anzustreben. Für jemanden, der eine Überschussrendite von vier, fünf oder sechs Prozent sucht, weil sein Anlageprodukt hohe Kosten aufweist, sind Quant und Faktoren nicht der richtige Weg. Hinzu kommt ein zweiter, in gewissem Sinne sogar noch sehr viel stärker fun- damental oder strukturell bestimmter Effekt, nämlich dass einzelne Faktoren die nachweisbare Eigenschaft haben, dass N o . 3/2024 | institutional-money.com 165 Roundtable Quant Management | PRODUKTE & STRATEGIEN FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Je anspruchsvoller ein Kunde ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er einen vergleichsweise hohen Anteil an Faktorstrategien in seinem Portfolio hält. « Erhard Radatz, Global Head of Portfolio Management, Invesco
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