Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024
der nächsten Generation bezeichnen, weil sie auf alterna- tiven Datensätzen oder auf Techniken des maschinellen Lernens oder anderen Techniken der künstlichen Intelligenz basieren. Allerdings lässt sich bisher bei vielen dieser neueren Faktoren beobachten, dass sie oft nur kurzfristiger Natur sind. Erhard Radatz: Ich würde gern noch einen Faktor ergänzen, der oft vergessen wird. Am Ende ist auch der Markt selbst ein Faktor. Das hat zur Folge, dass imGrunde jeder Investor eigentlich auch ein Faktorinvestor ist, wenn man als Voraus- setzung nehmen darf, dass im Endeffekt jeder Anleger für sich eine strategische Asset Allocation formuliert hat. Daher wäre es eigentlich für jeden Investor nur ein logischer Schritt, sozusagen die nächste Stufe zu erklimmen und über die Integration anderer Stilfaktoren nachzudenken, eben weil man den Marktfaktor selbst ohnehin in seinem Portfo- lio hat. Jeder institutionelle Anleger, der für sich eine strate- gische Asset Allocation formuliert oder ein Asset-Liability- Modell entwickelt hat, sollte höchstwahrscheinlich auch über Faktoren nachdenken, um die Gesamtrendite seines Portfolios zu steigern und Risiken zu managen. Hans Heuser: Was bei allen bisherigen Beschreibungen auffällt: Faktoren scheinen sich gar nicht signifikant vom Verhalten der nach fundamentalen Kriterien handelnden Investoren zu unter- scheiden. Auch die schauen bei ihren Investmententscheidungen doch sehr genau auf die Bewertung und die Kursentwicklung von Aktien. Wilma de Groot: Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von Factor Investing im Vergleich zum fundamental orientierten Anleger liegt meines Erachtens in der Tatsache, dass auf Fak- toren basiertes Investieren bewusst systematisch und vor allem evidenzorientiert erfolgt. Mein Team und ich führen bei Robeco eine enorme Zahl an historischen Tests durch, um herauszufinden, welche Faktoren wirklich gut funktio- nieren und wie man sie am besten nutzen kann, ohne dabei allzu große Risiken einzugehen. Wir legen zudem großen Wert auf eine professionelle Portfoliokonstruktion. Der evi- denzbasierte und stark systematische Ansatz ist es, der uns, die wir oft als „Quants“ bezeichnet werden, durchaus von fundamental orientierten Investoren unterscheidet. Ferdinand Haas: Würden Sie denn so weit gehen zu sagen, dass man mit dem systematischen Vorgehen beim quantitativen Inves- tieren gewissermaßen automatisch eine Form von Risikomanage- ment betreibt? Michael Heldmann: Im Prinzip ist das eine zutreffende Be- schreibung. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein statisti- scher Aspekt. Anstatt sich auf die oft aufwendige Analyse eines einzelnen Unternehmens zu konzentrieren und zu ver- suchen, den bestmöglichen Einblick zu bekommen, wie sich dieses Unternehmen im Lauf der Zeit voraussichtlich entwickeln wird, versucht man, die beschriebenen Gemein- samkeiten zu identifizieren und zu verstehen, was sie für breitere Gruppen bedeuten. Das funktioniert natürlich nur, wenn man nicht nur die Aktie eines bestimmten Einzelun- ternehmens kauft, das diese Qualität aufweist, sondern eine ganze Reihe von Unternehmen mit ähnlichen Merkmalen. Ferdinand Haas: Sagen Sie das, weil Sie den eigenen Faktorana- lysen nicht hundertprozentig trauen oder aus Gründen der Para- noia vor dem Einzelinvestment? Erhard Radatz: Ich denke, jeder gute Investor sollte ein gewis- ses Maß an Paranoia mitbringen. Denn man sollte generell nie ein allzu übermäßiges Vertrauen in das haben,was einem Faktoranalysen oder die Researchergebnisse der Einzelwert- analyse signalisieren. Denn nach wie vor gilt beim Investie- ren: Diversifikation ist der einzige sogenannte „Free Lunch“, den man an den Kapitalmärkten bekommt. Diversifikation ist daher meiner Ansicht nach das absolut Wichtigste, was ich absolut jedem Anleger empfehlen würde. Daher ist die Entscheidung, nicht nur in ein einzelnes, vermeintlich preis- wertes Unternehmen zu investieren, sondern auf eine sinn- volle breite Palette zu setzen, nur mehr als nachvollziehbar. 164 N o . 3/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Roundtable Quant Management FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Der evidenzbasierte und stark systematische Ansatz ist es, der uns, die wir oft als ›Quants‹ bezeichnet werden, durchaus von fundamental orientierten Investoren unterscheidet. « Wilma de Groot, Leiterin Factor Investing Equities, Robeco
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