Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

schaftlichen Schwachstellen erlebt haben, können wir uns eine Vorstellung davon machen, wie eine solche Krise ablau- fen könnte, indemwir den Stress untersuchen, der durch au- tonome Handelsalgorithmen verursacht wird“, umreißt Da- nielsson den Ausgangspunkt der Arbeit. Der Schlüssel zum Verständnis dafür, wie KI Krisen beeinflusst, liegt demzufol- ge in folgenden Merkmalen begründet: „Erstens ist sie her- vorragend darin, komplexe Muster aus Daten zu extrahieren, und kann schneller und mit ausgefeilteren Strategien reagie- ren als Menschen. Darüber hinaus lernen KI-Engines im Gegensatz zu älteren Generationen von Handelsalgorith- men der Konkurrenz. In der Praxis bedeutet dies, dass KI- Engines darauf optimiert werden, sich gegenseitig zu beein- flussen“, wie Uthemann ausführt. Wie menschliche Entscheidungsträger haben KI-Engines bei einem Schock eine Reihe von Möglichkeiten – letztend- lich lassen diese sich aber auf zwei grundlegende Entschei- dungen reduzieren: „Run“oder „Stay“ ( siehe auch das Aufma- cherbild dieses Artikels ). Wenn die Engine den erhaltenen Schock als nicht allzu schwerwiegend einschätzt, ist es für sie optimal, den Schock zu absorbieren oder sogar gegen ihn zu handeln. Auch wenn die Preise bereits gefallen sind, wird sich der Markt wahrscheinlich erholen, sodass Kaufen die optimale Strategie ist. Wenn die Engine jedoch zum Schluss kommt, dass die Abwendung des Verlustes ein schnelles und entschlossenes Handeln erfordert, etwa den Verkauf in einem fallenden Markt, wird sie genau das tun. Wenn sie falschliegt, verkauft – aber keine Krise eintritt – oder kauft – und eine Krise eintritt –, muss sie mit erheb- lichen Verlusten rechnen. Klumpenrisiko So viel zur Ausgangslage – die durch die Annahme der Autoren, dass KI „den oligopolistischen Marktstrukturkanal für finanzielle Instabilität wahrscheinlich noch verstärken“ wird, eine kritische Dimension erhält. Denn KI-Design, Ein- gabedaten und Rechenleistung werden zunehmend von einigen wenigen Technologie- und Informationsunter- nehmen kontrolliert, die weiter fusionieren und einen oligo- polistischen Markt schaffen. Da es einen erheblichen Mangel an erforderlichem Hu- mankapital gibt und die Produktivität dieser Experten direkt von den Netzwerkeffekten der Zusammenarbeit mit ande- ren Experten sowie von den ihnen zur Verfügung stehenden Daten und der Rechenleistung beeinflusst wird, ist die Ent- wicklung der effektivsten KI-Engines nur den größten Finanzinstituten vorbehalten. Auch hier also wieder das Argument: „Winner takes all“. Außerdem hat sich der Markt für Anbieter von Finanzda- ten in den letzten Jahren erheblich konzentriert, sodass nur noch wenige große Anbieter wie S&P Global, Bloomberg und LSEG übrig geblieben sind. „Es ist bedenklich, dass weder der Wettbewerb noch die Finanzaufsichtsbehörden das Potenzial für ein erhöhtes Systemrisiko aufgrund der oligopolistischen KI-Technologie in der jüngsten Welle von Fusionen der Datenanbieter erkannt haben“, so Danielsson. Das Hauptproblem dieser Konzentration von Datenan- bietern ist laut dem LSE-Wissenschaftler die Wahrscheinlich- keit, dass eine große Zahl von Finanzinstituten sowie der öffentliche Sektor ihre Analysen vom gleichen Anbieter beziehen. Das bedeutet, dass sie Chancen und Risiken ähn- lich sehen werden. „Die KI-beeinflussten Marktteilnehmer erhalten eine ähnliche Sicht auf die Welt, was zu einer Har- monisierung von Überzeugungen und Handlungen führt. Das macht es wahrscheinlicher, dass sie wie eine Herde han- deln, dieselben Vermögenswerte kaufen und verkaufen und damit prozyklisches Verhalten fördern und den gleichen blinden Flecken ausgesetzt sind.“ Beschleunigte Eskalation Die beiden binären Ergebnisse „Run“ oder „Stay“ ergeben sich schlussendlich direkt aus der Fähigkeit der KI, komplexe Probleme schnell und entschieden zu lösen und entspre- chend zu handeln. Wenn die Maschine zum Schluss kommt, dass sie aus dem Markt fliehen möchte, ist Ge- schwindigkeit von entscheidender Bedeutung. Wer zuerst verkauft, erzielt die besten Preise. „Wer als Letzter verkauft, steht vor dem Bankrott, teilweise weil er am Ende der daraus resultierenden Notverkäufe steht“, so Danielsson. Das bedeutet: Um zu überleben, verkauft die KI ihre riskanten Vermögenswerte so schnell wie möglich, fordert Kredite zurück, storniert Bereitstellungsfazilitäten und bringt andere Finanzinstitute in Bedrängnis.Das verschlimmert die Krise schnell. Das Ergebnis: eine noch extremere Volatilität. „Was sich früher über Tage oder Wochen abgespielt hätte, kann nun in Minuten oder Stunden geschehen“, so Uthe- mann. Im schlimmsten Fall laufen also binnen kürzester Zeit alle Staatsfonds und Zentralbanken in dieselbe Rich- tung.Die Flash Crashes der Vergangenheit würden dann im Rückblick als amüsante, aber vernachlässigbare Anekdoten erscheinen. HANS WEITMAYR Das Alpha der KI Fragestellung: Kann KI Alpha generieren? Die Frage nach Alphagenerierung durch KI ist trickreich, die Antworten sind entspre- chend ausgeglichen. Das scheint nicht zuletzt dem Verdacht geschuldet, dass ähnliche Daten bei unterschiedlichen KIs zu ähnlichen Entscheidungen führen werden. Quelle: Studie Staatsfonds Zentralbanken 13 % 28 % 6 % 53 % 17 % 39 % 6 % 38 % Signifikantes Potenzial Moderates Potenzial Unwahrscheinlich Noch nicht einschätzbar 154 N o . 3/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Künstliche Intelligenz

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