Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024
auktionsvolumen über Nacht angeht, besteht scheinbar eine Parallele zum Overnight-Effekt. Dieser beschreibt die allge- meine Beobachtung, dass viele Indizes positive Übernacht- und negative Intraday-Renditen aufweisen. Allerdings ist dort die Ursache eine andere, wie Benjamin Clapham erklärt. Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass unterschied- liche Arten von Investoren, etwa Privatanleger und institu- tionelle Investoren, zu unterschiedlichen Zeiten handeln. Deshalb kann bei starkem Nachfrageüberhang der einen Gruppe eine Preiskorrektur erfolgen,wenn die andere Grup- pe in den Markt kommt. Profitabel ausnutzen lässt sich dieser Overnight-Effekt aber scheinbar nicht. Zwei ETFs, die im Jahr 2022 in den USA aufgelegt wurden, um davon zu profitieren, mussten nach Verlusten geschlossen werden. Ähnlich wäre es wohl, wenn man versucht, das teilweise Reversal infolge großer relativer Schlussauktionen auszunutzen. Eine entsprechende Handelsstrategie dürfte mit erheblichen Übernachtrisiken und Transaktionskosten sowie einem hohen Kapitalbedarf verbunden sein. Der theoretische Vorteil würde angesichts dieser Friktionen in der Praxis sicherlich dahinschmelzen. Die Schlussauktion ist der wichtigste Liquiditätsmoment vieler Aktienmärkte weltweit. Dabei zeichnet sich die Ver- lagerung zunehmender Handelsvolumina in diese Richtung schon lange ab. Bereits vor fünf Jahren veröffentlichte Mar- ketWatch einen Artikel mit der Überschrift „The Closing Auction is Eating the Trading Day“ („Die Schlussauktion frisst den Handelstag“). Inzwischen ist der betreffende relative Vo- lumenanteil weiter gestiegen. Dabei entzieht der Fokus auf die Schlussauktion dem fortlaufenden Intraday-Handel an den Börsen die Liquidität.Diese leiden zusätzlich bereits un- ter der Abwanderung von Marktteilnehmern in Dark Pools. Und angesichts des anhaltenden Trends zu passiven Invest- ments dürften die relativen Volumina in der Schlussauktion weiter steigen. Das sollten sowohl Börsenbetreiber als auch Regulierungsbehörden auf dem Schirm haben. Eine häufig diskutierte Idee zur Verbesserung der Intra- day-Liquidität ist die Verkürzung der Handelszeiten. Doch passiert ist bislang noch nichts. In Europa könnte das daran liegen, dass der Handel die wichtige Schnittstelle der asiati- schen zu den amerikanischen Börsenzeiten darstellt. Zwar befasste sich die Euronext vor vier Jahren mit einer mögli- chen Verkürzung der Handelszeit. Man kam aber zu dem Ergebnis, dass es keine ausreichenden Gründe dafür gibt. Während die großen britischen Buy-Side- und Sell-Side- Unternehmen im Allgemeinen für einen verkürzten Han- delstag waren, stimmten Eigenhandelsfirmen und Interessen- gruppen von Kleinanlegern eher dagegen. Unter den übri- gen Marktteilnehmern waren die Ansichten unterschiedlich und weniger stark ausgeprägt. Die nun dokumentierte ab- nehmende Markteffizienz spielte in den damaligen Konsul- tationen wohl noch keine Rolle. An der New York Stock Ex- change wird unterdessen ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung überlegt.Marktteilnehmer werden befragt, wie sie potenziellen Verlängerungen der Handelszeiten gegenüber- stehen. Dabei gibt es neben moderaten Ausweitungen auch das extreme Szenario des permanenten Handels rund um die Uhr inklusive Wochenende. DR. MARKO GRÄNITZ Tendenziell aufwärts Entwicklung des mittleren Volumenanteils der Schlussauktionen für die untersuchten Aktienindizes Die Abbildung zeigt, welche durchschnittlichen quartalsweisen Anteile die Schlussauktionen bei den durchweg in den Indizes enthaltenen Aktien ausmachten. Im Gesamtzeitraum waren steigende Anteile zu beobachten. Im ersten Quartal 2020 kam es zu einem verstärkten kontinuierlichen Handel während der Corona- Marktturbulenzen. Der Anteil der Schlussauktionen ging deshalb vorübergehend zurück. Einen ähnlichen Effekt gab es im ersten Quartal 2022 infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine. Quelle: Bender, M. / Clapham, B. / Schwemmlein, B. (2024), Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Quality, S. 12 2019 2020 2021 2022 2023 25 % 35 % 45 % 55 % CAC FTSE DAX Volumenanteil der Schlussauktion 122 N o . 3/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Schlussauktion Eine häufig dis- kutierte Idee zur Verbesserung der Intraday-Liquidität ist die Verkürzung der Handelszeiten. » Im Durchschnitt werden 14 Prozent der Rendite der Schlussauktion über Nacht korrigiert. « Bender, M. / Clapham, B. / Schwemmlein, B. (2024); Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Quality
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