Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

einer einfachen Annahme aus: Wenn die Kurse der Schluss- auktion systematisch durch Ungleichgewichte bei den Auf- trägen verzerrt werden, würde das eine vorübergehende Abweichung vom fundamentalen Preisniveau bedeuten, die sich über Nacht wieder umkehren sollte. Das würde dem Ergebnis des zuvor beschriebenen Papers entsprechen („Who Trades at the Close? Implications for Price Discovery and Liquidi- ty“). Ist die Schlussauktion dagegen effizient, sollte der Eröff- nungskurs nicht systematisch vom Schlusskurs abweichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrheit wohl dazwischen liegt. Demnach kehren sich 14 Prozent der Rendite der Schlussauktionen über Nacht wieder um. Am schnellsten erfolgt dies am darauffolgenden Handelstag beim DAX. Gemessen über die gesamte Stichprobe, dauert es allerdings mehr als zwei Stunden. Zudem kommt es darauf an, wel- cher Anteil des Handelsvolumens in der Schlussauktion abgewickelt wird. Im Quintil mit den kleinsten relativen Schlussauktionen gibt es keine Verzerrungen, während sich im Quintil mit den größten relativen Schlussauktionen bis zu 24 Prozent der Auktionsrendite umkehren. Zum Vergleich wird die Eröffnungsauktion betrachtet. Dort gibt es keine Hinweise auf systematische Preisverzerrun- gen. Damit lässt sich ausschließen, dass eine Auktion an sich bereits die beobachteten Effekte auslöst. Die verzerrten Schlusskurse sind demnach auf die hohen relativen Volumi- na zurückzuführen, bei denen Liquiditätsanbieter scheinbar einen Ausgleich für die Übernahme des Übernachtrisikos verlangen. Als Treiber dieser Volumina stehen wieder große, einseitige Auftragsströme passiver Strategien imVerdacht, da die Verzerrungen an Rebalancing-Tagen lokaler Indizes beson- ders ausgeprägt sind. Die Forscher schreiben zwar, dass ver- gleichbare Effekte in älteren Untersuchungen nicht doku- mentiert werden konnten. Eine Erklärung, weshalb die Ver- zerrungen nun auch bei eigentlich liquiden Large Caps auf- tauchen, sind aber die jüngeren Daten der Stichprobe.Darin liegen die Anteile der Schlussauktionsvolumina höher als in früheren Jahren.Interessant ist die Erkenntnis,dass ein steigen- der Anteil an Schlussauktionsvolumen mit einer geringeren Volatilität einhergeht. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Volumen und Volatilität korrelieren und somit weniger Vo- lumen im fortlaufenden Handel auch die Schwankungsbrei- ten im Intraday-Handel dämpft. Das klingt zunächst positiv. Aber wie in der zuvor beschriebenen Studie stellen die For- scher auch hier fest, dass mit dem geringeren Volumen wie zu erwarten eine abnehmende Intraday-Liquidität verbunden ist. Dies äußert sich in höheren relativen Spreads und einer geringeren Orderbuchtiefe im gesamten fortlaufenden Han- del.Dadurch erhöhen sich die impliziten Transaktionskosten. Insgesamt bestätigt das Paper, dass die Verlagerung des Volu- mens auf den Börsenschluss negative Auswirkungen auf die Markteffizienz hat.Zudem kann die geringere Intraday-Liqui- dität ein höheres Risiko für Flash Crashs bergen.Darauf wies Franck Raillon in seinem Paper hin, wenngleich sich eine solche Entwicklung bislang nicht beobachten ließ.Der Preis- bildungsprozesses im fortlaufenden Handel blieb bisher sta- bil. Allerdings lässt sich das Szenario für die Zukunft nicht ausschließen, wenn die Intraday-Liquidität weiter abnimmt. Was das teilweise Reversal bei Aktien mit starkem Schluss- Ausnahmen bestätigen die Regel Gelegentliche Anomalien beim Schlusskurs Die Grafik zeigt den Kurs (Mittelwert des besten Bid and Ask am Ende von 1-Minuten-Intervallen) und das Volumen (kumuliert für 5-Minuten-Intervalle) der Tesla- Aktie am Tag der Aufnahme in den S&P 500. Der Schlusskurs wich etwa drei Prozent von der unmittelbar vorhergehenden Notierung ab. In der Schlussauktion wurden Aktien im Wert von 48,2 Milliarden US-Dollar gehandelt. Dabei machten Anleger, die in der Auktion kauften, kein gutes Geschäft. Da sich die Abweichung des Auktionspreises über Nacht vollständig umkehrte, verloren sie insgesamt rund 1,5 Milliarden US-Dollar. Quelle: Bogousslavsky, V. / Muravyev, D. (2023), Who Trades at the Close? Implications for Price Discovery and Liquidity, S. 32 620 640 660 680 700 0 10 20 30 40 50 60 70 Kurs USD Aggregiertes 5-Minuten-Volumen in Mio. Aktien 9:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 Schlussauktion Schlussauktion 10:00 9:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 10:00 Uhrzeit (New York) Uhrzeit (New York) N o . 3/2024 | institutional-money.com 121 Schlussauktion | THEORIE & PRAXIS » Sowohl die Intraday-Liquidität als auch die Volatilität nehmen infolge der Verlagerung ab. « Bender, M. / Clapham, B. / Schwemmlein, B. (2024); Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Quality

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