Institutional Money, Ausgabe 3 | 2024

Handelsvolumens der Schlussauktion ist also strukturell bedingt und hängt nicht allein mit der Zunahme passiver und quantitativer Investments zusammen. Einem Beitrag von Norges Bank Investment Manage- ment zufolge reagierten viele Börsen darauf, indem sie den fortlaufenden Handel in Bezug auf die Kosten attraktiver machten („The Role of Closing Auctions in Well-Functioning Markets“). Trotzdem war der Trend hin zur Schlussauktion bislang ungebrochen. Interessant ist die Frage, ob Marktteilnehmer tatsächlich da- von profitieren, wenn sie ihren Handel auf die Schlussauk- tion verlagern. Der eingangs genannten Studie „Who Trades at the Close? Implications for Price Discovery and Liquidity“ zu- folge dürfte das der Fall sein. Demnach stimmen die Schlusskurse in der Regel weitgehend mit den vorherigen Geld- oder Briefkursen überein. Die mittlere Abweichung beträgt nur 8,1 Basispunkte und ist damit kaum höher als die durchschnittliche halbe Geld-Brief-Spanne (7,6 Basis- punkte). Zudem kehren sich auftretende Abweichungen im Mittel über Nacht fast vollständig um, so die Forscher. Selbst an Tagen, an denen der S&P 500 neu gewichtet wird, gibt es bei der Schlussauktion selten abnormale Preisabweichun- gen im Verhältnis zum Handelsvolumen. Ausnahmen bestä- tigen die Regel (siehe die gleichnamige Grafik auf Seite 121) . Hinzu kommt, dass der Market Impact der eigenen Orders in der Schlussauktion geringer ist als im laufenden Handel. Das bedeutet, dass Marktteilnehmer große Volumina kosten- günstig unterbringen können. Die Autoren schreiben prag- matisch: „Anleger würden nicht zum Börsenschluss han- deln, wenn sie glauben, dass dies hohe Kosten verursacht oder riskant ist.“ Einfluss passiver Investments Die weiteren Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Schlussvolumen direkt und indirekt durch das Wachstum passiver Investments angeheizt wird. Das ist grundsätzlich positiv zu werten, da es die Liquidität bei Börsenschluss ver- bessert. Aber nicht immer. Die Dominanz passiver Anleger in der Auktion kann in bestimmten Situationen zusätzliches Rauschen in den Schlusskurs bringen, was seine Funktion als wichtigster Referenzwert untergräbt (nochmals der Hin- weis auf die Grafik „Ausnahmen bestätigen die Regel“) . Ein weiterer negativer Effekt besteht darin, dass sich durch den Fokus auf den Schlusskurs wie bereits angedeutet die Liquidität während des Handelstages verschlechtert.Der Stu- die zufolge fiel der Umsatz bei S&P-500-Aktien im Zeit- raum von 2010 bis 2018 in den ersten 15 Handelsminuten um durchschnittlich 22 Prozent. Zugleich stieg der effektive Spread als Maß für die Liquidität um zehn Basispunkte, während die Markttiefe um 63 Prozent abnahm. Das sind Indizien für eine verringerte Markteffizienz. Auch die bereits genannte Studie „Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Qua- lity“untersucht, ob die immense Verlagerung des Volumens auf den Börsenschluss negative Auswirkungen auf die Markteffizienz hat. Theoretisch sollte das nicht der Fall sein. Aber ähnliche Argumente wie im vorherigen Paper könn- ten dazu führen, dass der überwiegend von Liquidität, nicht von fundamentalen Daten getriebene und immer umfang- reicher werdende passive Handel die Schlusskurse früher oder später doch verzerrt. Die Forscher analysieren Aktien der drei führenden euro- päischen Blue-Chip-Indizes CAC 40, DAX 40 und FTSE 100, die vor allem an der Euronext Paris (CAC), auf Xetra (DAX) und an der London Stock Exchange (FTSE) gehan- delt werden.Die Handelsmodelle der drei Börsenplätze sind ähnlich. Sie haben standardmäßige, offene Limit-Orderbü- cher, einen fortlaufenden Handel und Auktionen zur Eröff- nung,mittags (außer Euronext) und zum Börsenschluss.Die Schlussauktion beginnt um 17.30 Uhr und endet um 17.35 Uhr. In dieser Zeit werden indikative Preise und Volumina veröffentlicht, also die vorläufigen Ergebnisse der Auktion unter der Annahme, dass alle Orders eingegeben wurden. Der Untersuchungszeitraum reicht von Februar 2019 bis Juni 2023. Dabei betrachten die Autoren nur Aktien, die im gesamten Zeitraum ununterbrochen in ihrem Index enthal- ten waren, ummögliche Verzerrungen aufgrund von Index- anpassungen zu vermeiden. Statt insgesamt 180 werden des- halb nur 121 Aktien analysiert. Die Forscher gehen von Alternative Schlussmechanismen D ie Schlussauktion der Hauptbörsen ist längst nicht mehr der einzige Mechanismus, bei dem zum Schlusskurs gehandelt werden kann. So bieten in Europa zum Beispiel einige Systematic Internalisers die garantierte Ausfüh- rung von Aufträgen zum Schlusskurs der Primärbörse an, wie Fatemeh Ara- mian and Carole Comerton-Forde (beide University of Melbourne) im Paper „Clo- sing Mechanisms in European Equities“ schreiben. Daneben gibt es noch weite- re alternative Schlussmechanismen. Ob- wohl diese meist niedrigere Gebühren für den Handel zum Schlusskurs bieten, sind Investoren bei deren Nutzung bis- lang zurückhaltend. Eine Befürchtung dürfte sein, dass der Preisfindungspro- zess bei Börsenschluss fragmentiert wird. Auch am US-Markt haben die hohen Handelsgebühren der Primärbörsen zur Entstehung alternativer Mechanismen geführt, die Market-on-Close-Aufträge zum Schlusskurs der Primärbörse, aber mit niedrigeren Gebühren ausführen. Die Händler können ihre Orders also börslich über CBOE Market Close oder außerbörslich über alternative Handels- systeme ausführen, die von Broker-Dea- lern betrieben werden. Quelle: Aramian, F. / Comerton-Forde, C. (2023), Closing Mechanisms in European Equities, University of Melbourne 120 N o . 3/2024 | institutional-money.com FOTO: © CARROLL SCHOOL OF MANAGEMENT THEORIE & PRAXIS | Schlussauktion Die Schlusskurse stimmen in der Regel weitgehend mit den vorherigen Geld- oder Brief- kursen überein. » Auch andere, nicht passive Anleger scheinen ihren Handel auf die Schlussauktion zu verlagern. « Vincent Bogousslavsky, Associate Professor of Finance, Carroll School of Management, Boston College

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