Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

W enn man sich den mehr als holprigen Über- gang Deutschlands zu einer klimaneutralen Wirtschaft ansieht, beschleichen selbst geneigte Beobachter leise Zweifel, ob mithilfe grüner Innovation die- se sogenannte Transition zu einer Clean Economy ohne Opferung des Wirtschaftswachstums in der Praxis gelingen kann. Vom in Aussicht gestellten grünen Wirtschaftswunder ist jedenfalls in Deutschland nichts zu sehen, vielmehr schrumpft die Wirtschaft leicht beziehungsweise stagniert, was Deutschland hinter die anderen europäischen Länder zurückfallen lässt. Zumindest in der Theorie wird die als Quadratur des Kreises anmutende Idee von einigen Ökono- men dennoch grundsätzlich bejaht. Das knapp vor dem Jahreswechsel publizierte Working Paper der Autoren Daron Acemoğlu, MIT-Professor, Phi- lippe Aghion, Professor am Collège de France und an der INSEAD, Lint Barrage, Associate Professor an der ETH Zürich, und David Hémous, Associate Professor an der Uni- versität Zürich, fasst den Stand der Diskussion zusammen, wie der Umbau ohne Opferung von langfristigem Wirt- schaftswachstum gelingen könnte. Doppelstrategie Das Research von Acemoğlu, Aghion, Barrage und Hémous schlägt dagegen eine Neuausrichtung des technologischen Wandels hin zu umweltfreundlicheren, sogenannten „grü- nen“ Innovationen vor, mit deren Hilfe sich der Klimawan- del bekämpfen ließe, ohne das langfristige Wirtschaftswachs- tum zu beeinträchtigen. Grüne Innovationen seien zwar machbar und hätten das Potenzial, Treibhausgasemissionen erheblich zu reduzieren, sie würden jedoch nicht von allein umgesetzt, es sei denn, die Anreizstruktur im Energiesektor würde geändert. Dies gelte umso mehr aufgrund einer „Pfadabhängigkeit“: Jahrzehntelange Investitionen in Tech- nologien, die fossile Brennstoffe ergänzen, hätten dazu ge- führt, dass saubere Technologien wie erneuerbare Energien zunächst weniger produktiv und weniger rentabel als fossile Brennstoffe seien. Das Autorenquartett entwickelt seine Schlüsselideen im Rahmen eines gesteuerten technologi- schen Wandels im Energiesektor, bei dem neue Innovations- anstrengungen auf fossile Brennstoffe oder sauberere Ener- giequellen wie erneuerbare Energien ausgerichtet werden könnten. Modelle zu diesem gesteuerten technologischen Wandel hatte Acemoğlu bereits 1998 und 2002 vorgestellt. Die Pfadabhängigkeit in diesem Rahmen ergibt sich aus der Tatsache, dass frühere Innovationen bei fossilen Brennstoffen aktuelle Technologien für fossile Brennstoffe produktiver machen als sauberere Alternativen und damit den Übergang zu sauberen Technologien viel schwieriger machen. Der vorgeschlagene Rahmen hat unterschiedliche Auswir- kungen. Erstens könnten sowohl CO 2 -Steuern (oder das Set- zen von Caps sowie die Handelspolitik) als auch Subventio- nen für grüne Innovationen dazu beitragen, den technolo- gischen Wandel neu auszurichten und den Klimawandel zu bekämpfen.Zweitens unterscheide sich eine optimale Klima- politik in diesem Rahmen stark von jenen in anderen Wirt- schaftsmodellen und auch von denen, die in den politischen Debatten am häufigsten diskutiert würden, so die Autoren. Vielfältige Eingriffe Insbesondere sei es notwendig, die CO 2 -Bepreisung mit Subventionen für saubere („grüne“) Innovation zu kombi- nieren. Darüber hinaus sollten diese Maßnahmen unmittel- bar und frühzeitig gesetzt werden – das heißt, je früher In- novationssubventionen umgesetzt würden, desto wirksamer würden sie angesichts der Pfadabhängigkeit sein. Drittens könnten Investitionen in grüne Technologien das Wirt- schaftswachstum eher steigern als bremsen, sodass die Be- kämpfung des Klimawandels mit dem Wirtschaftswachs- tum vereinbar ist. Viertens bestehe ein starker Unterschied Klimabewegte Ökonomen entwickeln einen Ansatz, demzufolge der Klimawandel bekämpft werden kann, ohne dadurch das langfristige Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen. Die Quadratur des Kreises 88 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Grüne Technologien FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Die Neuausrichtung des technologischen Wandels muss nicht das langfristige Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. « Daron Acemog˘lu, Professor of Economics am Massachusetts Institute of Technology

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