Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

…wobei Sie kurz den jeweiligen Hintergrund beider Begriffe erläutern müssten. Thomas Veith: Beim Friendshoring stellen Unternehmen gewissermaßen die Kosteneffizienz in den Hintergrund zugunsten einer stärkeren Konzentration auf Partnerfirmen in Ländern, die als verlässlich in Bezug auf bestimmte Werte, aber auch Arbeits- und Umweltstandards gelten. Beim Nearshoring verlagert man ganze Betriebe oder Produk- tionsprozesse in Nachbarländer, im Fall von Deutschland sind das insbesondere osteuropäische Staaten.Und in beiden Fällen geschieht das aus gutem Grund. Was meinen Sie konkret? Thomas Veith: Wenn ich mich als Unternehmen aufgrund von veränderten oder gestörten Lieferketten nicht mehr darauf verlassen kann, dass benötigte Materialien stets in aus- reichender Menge und innerhalb angemessener Zeiträume verfügbar sind, dann wird das eher früher als später zu erheblichen Verschiebungen in Bezug auf die gesamte Standortinfrastruktur, aber auch imHinblick auf den Bedarf an neuen Lagerstätten führen. Gerade der Baubereich hat das in jüngerer Zeit erheblich zu spüren bekommen, als es für bestimmte Produkte zu enormen Engpässen in der Materialversorgung gekommen ist. Und wenn ein Land wie Deutschland sich aus gutemGrund entschließt, die Produk- tion von hochwertiger Technologie, insbesondere die Chip- produktion wieder stärker ins eigene Land zurückzuholen, dann wird in beiden Fällen gerade der Logistikbau massiv profitieren. Und das nicht nur im eigenen Land, sondern auch in den betreffenden Nachbar- oder Partnerländern, Stichwort Abkoppelung von China. Wobei eine angestrebte Verringerung der Abhängigkeit von chine- sischen Lieferanten ja nicht automatisch dazu führt, dass alles im eigenen Land oder in Nachbarstaaten produziert werden kann. Thomas Veith: Natürlich nicht. Aber es wird zu Veränderun- gen beziehungsweise zum Ausbau entsprechender Kapazi- täten in der asiatisch-pazifischen Region insgesamt führen. Wenn man bewusst nicht mehr vornehmlich aus China im- portieren möchte, dann schaut man sich eben nach alterna- tiven Herstellern in Ländern wie Malaysia oder Indonesien um, um seine Lieferketten zu stabilisieren. Deswegen wird der bisher viel zu wenig in den Immobilienportfolios insti- tutioneller Investoren berücksichtigte AsiaPac-Raum erheb- lich an Attraktivität gerade für Großanleger gewinnen. Aber ob nun Wohnbau oder Logistik: Derart notwendige starke Veränderungen der Marktstrukturen werden doch ohne ein Fort- kommen an ganz anderer Stelle gar nicht gelingen können. Ich spreche von notwendigen Fortschritten und vor allem einer stär- keren Harmonisierung im Bereich der Digitalisierung. Thomas Veith: Womit wir beim Nadelöhr angekommen sind, unter dem insbesondere die Immobilienbranche zu lei- den hat. Einmal abgesehen von der Situation in der öffent- lichen Verwaltung oder den Zulassungsbehörden, wo wir meilenweit davon entfernt sind, von einer Harmonisierung zu sprechen – nicht nur aufgrund von unterschiedlichen Systemen, die zum Teil gar nicht in der Lage sind,miteinan- der zu kommunizieren.Auch die rechtliche Seite steht einem notwendigen Fortkommen imWeg, allein schon weil eini- ges auf kommunaler oder Landesebene, anderes wiederum auf Bundes- oder EU-Ebene geregelt wird und entschieden werden muss. In der Immobilienbranche kommt aufgrund ihrer strukturellen Zersplitterung ein gravierendes Problem hinzu: Am Funktionieren, aber auch der Finanzierung eines Gebäudes sind sehr viele Dienstleister beteiligt. Das reicht vom Property Manager über den Facility Manager bis hin zum Asset Manager und dem Endinvestor, und damit sind nicht alle genannt. Diese unabhängig agierenden Marktteil- nehmer arbeiten oft mit unterschiedlichen und nur mit gro- ßem Aufwand harmonisierbaren Datensätzen. Wollen Sie sagen, dass das Vorhandensein oder die prinzipielle Verfügbarkeit von Daten gar nicht das Problem ist? Thomas Veith: Ganz so einfach ist es nicht, denn es gibt noch eine Reihe von Optimierungsmöglichkeiten. Für die Stand- ortanalyse beispielsweise werden Daten der unterschiedlichs- 76 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Thomas Veith | PwC Deutschland FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Wenn man bewusst nicht mehr vornehmlich aus China importieren möchte, dann schaut man sich eben nach alternativen Herstellern in Ländern wie Malaysia oder Indonesien um, um seine Lieferketten zu stabilisieren. « Thomas Veith, Partner und Global Real Estate Leader bei PwC Deutschland

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=