Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

den zunehmend andere Themen im Vordergrund. Men- schen und Marktteilnehmer haben sich, wenn auch am Ende nur vorübergehend, Sorgen um ihre Energiever- sorgung gemacht, dann folgte ein massiver Anstieg der Inflation, begleitet von einem rekordschnellen Anstieg der Zinsen und zunehmenden geopolitischen Spannungen.Das hat unserem Thema durchaus einen Dämpfer versetzt … …der sich wie konkret ausgewirkt hat? Karsten Kührlings: Gerade private Anlegerinnen und Anleger sind stark verunsichert und bekommen natürlich die Infla- tion auch im eigenen Portemonnaie zu spüren, weil ihre Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind. Das dämpft natürlich die Bereitschaft in Bezug auf Investieren und Spa- ren. Hinzu kommt, dass das ESG-Thema im Zusammen- hang mit der Corona-Pandemie ja lange Zeit einen regel- rechten Megaboom im Marketing von Fondsgesellschaften erfahren hat, weil mit den entsprechenden Portfolios eine signifikante Outperformance zu erzielen war. Aber wie im- mer haben die Kapitalmärkte auch diesmal wieder zyklisch reagiert, und Nachhaltigkeit hat als Thema den Rückwärts- gang eingelegt. Seit dem Einfall russischer Truppen in der Ukraine standen wieder zunehmend andere Themen wie Rüstung, Ölindustrie und Fluggesellschaften im Vorder- grund. Nachhaltige Portfolios drehten von Out- auf Under- performance, und Fondsgesellschaften haben aufgehört zu behaupten, Nachhaltigkeit habe schon immer zu ihrer DNA gehört. Das hat natürlich auch in der Entwicklung unseres Produkts Spuren hinterlassen. In welcher Form? Karsten Kührlings: Über ein Volumen von 50 Millionen sind wir bisher noch nicht sehr weit hinausgekommen. Anderer- seits ist das insofern eine zufriedenstellende Größenordnung, als ein solches Volumen immerhin die Chance eröffnet, nach den üblichen drei Anfangsjahren zumindest den Radar- schirm von institutionellen Investoren zu erreichen. Und mit einem Wertzuwachs von rund fünf Prozent im ersten kompletten Jahr 2023 haben wir vielleicht keine Lorbeeren eingeheimst. Aber wir konnten zumindest zeigen, dass das Produkt in der Lage ist, auch bei Gegenwind standzuhalten. Wie wird es Ihrer Ansicht nach weitergehen? Karsten Kührlings: Viele der konventionellen Anbieter von Fondslösungen sind in eine wahre Angststarre gegenüber dem ESG-Thema verfallen. Die fürchten sich vor Aspekten wie Greenwashing oder Impactwashing, weil sie genau wis- sen, dass Nachhaltigkeit eben keineswegs einen Teil ihrer DNA ausmacht. Angst macht ihnen auch die Situation in den USA, wo nachhaltiges Investieren zu einer regelrechten Spaltung bei Marktteilnehmern und Politik geführt hat. Daher ist der Umgang mit dem Thema zwar wesentlich schwieriger geworden, aber für die, die es ernst meinen mit der Auseinandersetzung in Bezug auf Erscheinungen wie einen zu hohen CO 2 -Ausstoß, eine nach wie vor zunehmen- de Erwärmung der Erde und einen Rückgang der Biodiver- sität, ist es eigentlich nur positiv, dass jene, die es eben nicht ernst meinen, gerade nicht über Nachhaltigkeit sprechen. Und für Ihr Thema der Perspektiven von Kindern? Karsten Kührlings: Das wird natürlich in gewisser Weise in Mitleidenschaft gezogen. Aber wenn wir es schaffen, durch Maßnahmen wie simples Proxy-Voting, aber auch eine Ver- stärkung der Aufmerksamkeit auf Seiten von NGOs und nicht zuletzt den Dialog mit dem C-Level von Unterneh- men sowie mit Politik und Regulierungsbehörden die soge- nannte Awareness für das Thema zu vergrößern, dann wer- den auch Investoren wieder erkennen, dass sie mit dem Schutz und einer besseren Versorgung von Kindern und ih- ren Rechten nicht nur etwas Gutes tun können, sondern auch einen echten additionalen Mehrwert für ihr Portfolio schaffen, der außerhalb des Kapitalmarktes liegt. Und damit verfolgen wir eine Ambition, deren Niveau um einiges höher liegt, als lediglich Reputationsrisiken zu vermeiden oder ESG-Risiken im Portfolio zu reduzieren. Deshalb steht nachhaltiges Investieren sicherlich noch vor herausfordern- den Zeiten, das will ich gar nicht wegdiskutieren. Ich glaube 66 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Lanna Idriss & Karsten Kührlings | GLS Bank FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Die Politik ist zwar vordergründig bemüht zu betonen, das Wohl von Kindern liege ihr enorm am Herzen, zieht sich aber zurück, wenn es darum geht, konkrete Projekte zu unterstützen. « Lanna Idriss, Vorstandsvorsitzende SOS-Kinderdörfer weltweit

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