Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Sie belassen es aber nicht bei einer einfachen Kritik, sondern geben auch Tipps, wie generative KI besser umgesetzt werden kann.Was genau meinen Sie damit? Prof. Daron Acemog˘lu: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Teil dessen, was ich zu vermitteln versuche. Generative KI hat ein riesiges Potenzial, und wir stehen kurz davor, es zu vergeuden. Wenn wir generative KI nur dazu verwenden, um zu automatisieren und zu versuchen, das zu replizieren, was Menschen tun, ist das bei Weitem nicht der beste Ein- satz, wie ich eben im Zusammenhang mit der Diskussion über Statistik erklärt habe. Das Erstaunliche an KI-Werkzeu- gen,maschinellen Lernwerkzeugen und neuronalen Netzen ist, dass sie Dinge tun, die Menschen nicht tun können, nämlich riesige Datenmengen verarbeiten. Sie können aber keine Dinge tun, die Menschen von Natur aus tun, wie Sprachen lernen, auf der Grundlage von Erfahrungen ler- nen, Urteile auf hohemNiveau fällen, sehr unterschiedliche Sachverhalte miteinander vergleichen und aus nur wenigen Datenpunkten zu einer Verallgemeinerung gelangen.Daraus ergibt sich, dass das wirkliche Potenzial in einer Partner- schaft zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz liegt. Und ich denke, die Grundlage dieser Partnerschaft muss darin bestehen, dass die generative KI zu einem Werkzeug wird, das wirklich verlässliche und kontextabhängige Infor- mationen in Echtzeit bereitstellt. Haben Sie auch hier ein Beispiel für uns? Prof. Daron Acemog˘lu: Wenn Sie Elektriker sind, kann Ihnen die generative KI helfen, ein erheblich fachkundigerer Elek- triker zu werden. Etwa indem sie Ihnen Informationen über ein neues Problem liefert,mit dem Sie konfrontiert sind, das andere Leute in der Vergangenheit aber schon gelöst haben. Sie kann Ihnen sehr schnell beibringen, wie Sie mit neuen Geräten oder dem Stromnetz umgehen müssen. Das wird viel neues Fachwissen erfordern, denn es werden alle mög- lichen neuen Probleme auftauchen. Generative KI könnte ein Werkzeug sein, um unsere menschliche Tätigkeit zu erweitern, unser Fachwissen zu verbessern und die Palette der Aufgaben zu erweitern, die wir ausführen. Aber das ist nicht der Weg, den wir derzeit einschlagen. Geoffrey Hinton, einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, antwortete kürzlich auf die Frage, ob die digitale Intelligenz in absehbarer Zeit die biologische Intelligenz ersetzen wird, mit den Worten: „Mit ziemlicher Sicherheit ja!“ Sie sind anderer Meinung, wenn ich Sie richtig verstehe. Prof. Daron Acemog˘lu: Ich habe Geoffrey Hinton kennen- gelernt, als wir beide vor etwa acht Jahren den „Frontiers of Knowledge“-Award der BBVA Stiftung verliehen bekamen. Er ist ein wahrer Ausnahmewissenschaftler und erhielt die Auszeichnung damals im Bereich Informatik und Informa- tionstechnik, wo er sich mit Sicherheit besser auskennt als ich. Ich bin zwar nur ein Wirtschaftswissenschaftler, aber ich würde ihm in diesem Fall respektvoll widersprechen. Ich glaube einfach nicht, dass wir in der Lage sein werden, mit immer mehr Daten und immer mehr Computerleistung auch nur annähernd so etwas wie menschliche Kognition zu erreichen. Natürlich kann ich mich irren. Vielleicht gibt es emergente Phänomene, neue und komplexe Eigenschaf- ten und Verhaltensweisen eines Systems, die wir heute noch nicht verstehen, und wenn man statt 100 Billionen Para- metern vielleicht 500 Billionen Parameter verwendet, pas- siert vielleicht plötzlich etwas Magisches. Aber im Allgemei- nen glaube ich nicht an Magie. Und wenn man nicht an Magie glaubt, ist nur sehr schwer vorstellbar, dass die derzei- tige Architektur von künstlicher Intelligenz zu etwas führen wird, das der menschlichen Kognition nahekommt. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER 46 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Daron Acemog˘lu | Massachusetts Institute of Technology FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Wenn man nicht an Magie glaubt, ist nur sehr schwer vorstellbar, dass die derzeitige Architektur von künstlicher Intelligenz zu etwas führen wird, das der menschlichen Kognition nahekommt. « Prof. Daron Acemog˘lu, Professor am Massachusetts Institute of Technology

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