Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

rückzukommen. Denn auch dort gibt es natürlich viele Möglichkeiten zur Nutzung von künstlicher Intelligenz. Sie kann aber gleichzeitig auch zu einem enorm hohen Sicher- heitsrisiko werden. Und ich sehe nicht, dass die Finanzbran- che darauf vorbereitet wäre. Ob Bildung, Finanzen oder an- dere Branchen: Eine entsprechende Kompetenz imUmgang und die richtigen organisatorischen Maßnahmen sind auch bei KI der Schlüssel zum Erfolg. Würden Sie mit Bezug auf den Ist-Zustand denn zustimmen, dass KI im Moment eigentlich nur so etwas Statistik ist, wie das vor Kurzem Cliff Asness, Quant-Manager und Mitbegründer von AQR Capital Management, formuliert hat? Prof. Daron Acemog˘lu: Die derzeitige Architektur von KI- Modellen basiert sehr stark auf maschinellem Lernen, insbe- sondere auf neuronalen Netzen und Deep Learning. Sie ver- arbeiten riesige Datenmengen auf eine Art und Weise, wie es der Mensch nicht kann, aber sie vollziehen es ohne jede konzeptionelle Struktur und ohne Verständnis der höheren Ebene. Daher kann man schon sagen, dass es nichts anderes als Statistik ist, es sind nur Daten. Andererseits leisten sie zum Teil äußerst beeindruckende Dinge … Prof. Daron Acemog˘lu: …die eine generative KI aber nur aus Statistiken und Daten generiert.Die aktuellen Versionen der großen Sprachmodelle arbeiten mit Hunderten, Milliarden von Parametern, die es ihnen ermöglichen, das nächste Wort oder die nächste Wortfolge eines Satzes zu erraten, und zwar so, dass es der Art und Weise, wie Menschen sprechen, un- heimlich ähnlich ist. Aber am Ende ist es eben eine Art Vor- hersageinstrument, das zweifellos großes Potenzial hat. Und es kann Dinge tun, die der Mensch nicht tun kann. Das macht es zu einer guten Ergänzung zum Menschen. Aber es hat auch große Grenzen.Wir sollten also nicht vergessen, dass wir letzten Endes zu den Tagen zurückkehren könnten, an denen man sich Hoffnungen auf das gemacht hat, was man als symbolische KI bezeichnet, bei der man versucht, menschenähnliche Schlussfolgerungen und Problemlösun- gen zu ermöglichen, um diese mit den aktuellen statisti- schen Werkzeugen zu mischen. So weit sind wir aber noch nicht, und das wird auch noch nicht versucht. Ist das der Grund, warum Sie von zwei verschiedenen Visionen von KI sprechen? Was verbirgt sich dahinter? Prof. Daron Acemog˘lu: Grob gesagt gibt es nach meinem Ver- ständnis eine promenschliche und eine – in Ermangelung eines besseren Begriffs – antimenschliche Richtung für KI. In der promenschlichen Richtung setzen wir KI ein, um Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu unterstützen, umMen- schen zu helfen, bessere Informationen zu erhalten, eine demokratische Gesellschaftsform zu praktizieren und bessere Ein enorm vielseitiger Ökonom Daron Acemog˘lu ist am 3. September 1967 im türkischen Istanbul geboren. Er gehört zu den führenden Ökonomen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge nahe Boston. Nach seiner 1992 abgeschlossenen Promotion an der London School of Economics begann er 1993 seine akademische Laufbahn am MIT. Seit 2019 ist er Institute Professor, der höchste akademische Grad der Universität. Seine Forschung konzentriert sich auf die politische Ökonomie, die ge- samtwirtschaftliche Entwicklung, aber auch Themen wie Arbeits- ökonomie, wirtschaftliche Ungleichheit und die Auswirkungen des technologischen Wandels gehören zu seinen Spezialgebieten. Acemog˘lu ist bekannt für seine Arbeiten zur Rolle von Institutionen in der Wirtschaft. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören „Why Nations Fail“ (2012), das er ge- meinsam mit James A. Robinson verfasst hat, ebenso wie „The Narrow Corridor“ (2019), in dem die beiden Wissenschaftler das komplexe Zusammenspiel zwi- schen Staat und Gesellschaft unter die Lupe nehmen. Ein nach wie vor stark beachtetes Grundlagenwerk zur modernen Wachstumstheorie hat Acemog˘lu mit der ersten Auflage von „Introduction to Modern Economic Growth“ im Jahr 2009 veröffentlicht. 42 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Daron Acemog˘lu | Massachusetts Institute of Technology FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Gäbe es nicht die Perspektive, dass Maschinen den Menschen voraus sein werden, wäre es nicht zu dem Chaos gekommen, das heute in den sozialen Medien herrscht und so enorm mani- pulativ und ausbeuterisch wirkt. « Prof. Daron Acemog˘lu, Professor am Massachusetts Institute of Technology

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