Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024
logiesprung sein wird. „Vielleicht gibt es künftig komplett neue Anbieter analog dem Aufkommen des Video- streaming, die den Wertpapierhandel abwickeln; dann bräuchte man keine Blockchain mehr“, so Lehl, aber erst einmal gehe der Trend imWertpapierhandel wohl in Rich- tung Blockchain. Die Digitalisierung ist unaufhaltsam Aber welche Vorteile bietet dann die Digitalisierung im Wertpapierbereich, wenn für Asset Manager und Investoren vieles gleich bleibt? „Interessant ist, dass die Prozessketten und die gesamte Systemlandschaft der Banken einfacher werden. Dadurch beschleunigt sich das Settlement, und die Kosten für Wertpapiertransaktionen werden sinken“, sagt Spielmann. Dass das wichtig ist, sehen wir beispielsweise daran, dass die SEC für den US-Markt im Mai 2024 die Settlement-Zyklen beschleunigt, von t+2 auf t+1. „Dadurch verringern sich die Abwicklungsrisiken, die sich innerhalb der Zeitspanne vom Kauf bis zur Übertragung der Stücke gegen Geld (Delivery vs. Payment) ergeben. Hier wird man jetzt zwar schneller, aber im traditionellen Wertpapier- geschäft wird man nie auf die gleiche Geschwindigkeit kommen wie im digitalen.Mit der Blockchain ist eine Über- tragung von A nach B innerhalb weniger Sekunden mög- lich, während heute in Europa noch ein Settlement-Zyklus von zwei Tagen gilt, nämlich t+2“, erklärt Spielmann. Lehl sieht die Verringerung der Settlement-Zyklen in den USA auch als Bremsmanöver, das den Zentralverwahrern eine etwas längere Existenzberechtigung bietet. „Das ist nur ein Zwischenschritt, der uns näher an die Lösung bringt, aber nie ganz ans Ziel. In den USA werden jetzt die Zentral- verwahrer schneller und günstiger, kurz bevor die Block- chain alles deutlich billiger macht. Clearstream könnte auch schneller und kostengünstiger arbeiten, aber die werden das erst dann tun, wenn die Konkurrenz der Blockchain wirk- lich da ist.“Er rechnet damit, dass die Zentralverwahrer alles daransetzen, dass die Blockchain nicht so schnell kommt, denn sie mache Zentralverwahrer in Teilen überflüssig, beraube diese also ihres Geschäftsmodells. Auf die Frage, wie sie die Zukunft des Wertpapierhandels sieht, antwortet Spielmann: „Meine These ist, dass sich die Digitalisierung nicht aufhalten lässt. Regulatorisch ist vieles schon geregelt, und die Marktinfrastruktur wird momentan aufgebaut. Das Ganze nimmt jetzt Fahrt auf, weil alle Voraussetzungen erfüllt sind. Ich kann mir vorstellen, dass wir bereits 2030 auf der Neuemissionsseite bemerkenswerte Anteile digital haben werden; vielleicht fünf bis zehn Pro- zent des Neuemissionsvolumens. Wenn es dynamischer geht, dann hat sich der Markt für diejenigen, die nicht mitmachen, schon spürbar verengt. Und wenn sich die Digitalisierung im Wertpapiergeschäft erst einmal etabliert hat, dann geht es nicht mehr sukzessive, sondern es macht einfach ,Poff!‘“, meint Spielmann. Nils Christopeit sieht das ähnlich: „Die Digitalisierung von Finanzprodukten verspricht einen Effizienzschub.Dabei kommt ein Teil der Effizienz aus der Automatisierung, bei- spielsweise durch Nutzung von Smart Contracts. Hier sind alle Bedingungen eines tokenisierten Wertpapiers digital niedergelegt, und die Prozesse werden dann automatisiert ausgeführt.Wenn es künftig keine Prozessbrüche mehr gibt, kann nichts übersehen oder vergessen werden, sondern die Routinen werden wie vorgesehen abgearbeitet.“ Ist die Infra- struktur dann erst einmal aufgebaut, traut er Transaktionen über die Blockchain neben dem Plus an Ausführungssicher- heit auch ein Plus an Transparenz und Geschwindigkeit zu – und am Ende auch eine Reduktion der Kosten. „Bis das volle Potenzial der DLT-Technologie gehoben werden kann, sind weitere Investitionen in die Marktinfrastruktur nötig“. Außerdemmüssen die Erfahrungen aus laufenden Tests wie im Bereich des Börsenhandels (EU-Pilotregime) abgewartet und ausgewertet werden.Der nächste wichtige Schritt ist der Abschluss der EZB-Testphase, um eine Möglichkeit zu haben, Geld und Assets Zug um Zug zeitnah und anein- ander gekoppelt übertragen zu können. Beide warnen davor, dass Europa, insbesondere Deutsch- land, seinen Vorsprung verlieren könnte und mahnen, dass man doch gemeinsam an einem Strang ziehen sollte. „Was die gesetzliche Regulierung angeht, sind wir sehr weit vorn. Was schleppend läuft, ist die Entwicklung der Marktinfra- struktur. Die Marktteilnehmer sind noch recht verhalten, was den Ausbau von Netzwerken und den Austausch von digitalen Wertpapieren betrifft. Außerdem müssen wir unbedingt gemeinsame Standards festlegen, sonst verspielen wir unseren Vorsprung“, so Spielmann. Mehr Eigenmittel für Kryptowerte? Außerdem steht noch aus, wie der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht Kryptowerte künftig einordnen wird, das heißt, wie Kryptowertpapiere in den Bilanzen der Banken mit Eigenkapital zu unterlegen sind. „Wenn ein Kryptowert- papier auf einer öffentlichen Blockchain begeben wurde, ist das derzeit mit einer deutlich höheren Eigenkapitalbe- lastung für Banken verbunden. Darüber diskutieren wir aktuell“, verrät Spielmann. „Unser Ziel ist, dass die Kapital- unterlegung den traditionellen Wertpapieren gleichgestellt ist. Schließlich geht von der Blockchain kein zusätzliches Risiko aus. Die Bonität eines Wertpapiers ist abhängig vom Emittenten und nicht von der Blockchain.“ ANKE DEMBOWSKI N o . 2/2024 | institutional-money.com 253 Krypto-Spezialfonds | STEUER & RECHT FOTO: © THORSTEN JANSEN » Vielleicht gibt es künftig komplett neue Anbieter analog dem Videostreaming, die den Wertpapierhandel abwickeln; dann bräuchte man keine Blockchain mehr. « Christoph Lehl, COO beim regulierten Handelsplatz Spectrum Markets
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=