Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024
punkt und führt so zu unnötigen Renditeeinbußen“, kennt Agnesens die Grenzen quantitativer Modelle. Es gibt nicht den festen Zeitpunkt Er erklärt, wie es im Finreon-Modell zu Signalen kommt: „Wir nehmen reine Messungen vor, geben also keine Pro- gnosen ab. Die Messungen erfolgen breit abgestützt auf täglicher Basis. Um etwas zu messen, muss der Markt sich schon ein wenig bewegt haben.Dann soll unser Modell rea- gieren…schnell, aber nicht zu schnell.“Dabei misst Finreon täglich 30 unterschiedliche Faktoren, die sich allesamt auf die Themenbereiche Risiko und Trend beziehen. Zu Preis- bewegungen kommt es schneller als zu einer Änderung von ökonomischen Daten – die sind oft träge. „Im Prinzip messen wir, wie hoch die Anspannung am Markt ist. Die Reaktion des Modells erfolgt daher nicht nach einer fixen Zeitspanne oder Renditeeinbuße“, erklärt Agnesens, „es kommt darauf an, wie ruhig oder unruhig das Marktumfeld insgesamt ist.“ Kommt das Modell zu einem klaren Signal, steigt Finreon nicht in einem, sondern in fünf Schritten aus dem Markt aus. „Beim Corona-Crash im März 2020 lagen acht Han- delstage zwischen der ersten Reaktion des Modells bis zum letzten Schritt“, so Agnesens. Die Anzahl der Schritte zum Aus- oder Einstieg kann kundenspezifisch ausgestaltet werden, je nachdem ob der Investor schnell oder weniger schnell agieren möchte. Agnesens weiß, dass Gewissheit auch bei quantitativen Modellen erst ex post herrscht. „Corona ist dafür ein gutes Beispiel. Auch als die Märkte vom tiefsten Punkt aus steil angestiegen sind, gab es ein sehr hohes Crash-Risiko. Hätte Fed-Chef Jerome Powell nur einen Tag länger gewartet, um die Märkte zu stützen, hätte es noch viel weiter runter gehen können.“Daher ist für ihn die Anspannung im Markt eine so wichtige Einflussgröße. Es verbleibt noch ein Risikobudget Die gemessene Anspannung zeigt ihm, ob schnell oder weniger schnell auszusteigen ist. „Ein rechtzeitiger Ausstieg ist enorm wichtig. Nur so kann sichergestellt werden, dass noch Risikobudget für den Wiedereinstieg verbleibt. Denn auch wenn der Wiedereinstieg nie am tiefsten Punkt erfol- gen wird, bietet die Erholungsphase zumeist attraktive Chancen bei tragbaren Risiken.“ Auf diese Weise lässt sich vermeiden, was einigen Riester-Modellen passiert ist: Sie ließen die Kunden im Cash-Lock, sodass diese gar nicht mehr in einen Aktienfonds switchen konnten. Aber nicht nur die CPPI-Modelle, sondern auch die gesetzlich vor- geschriebenen Garantien haben Riester-Modelle jeglicher Flexibilität beraubt. Beim Corona-Crash im März 2020 ist das Modell von Finreon zügig aus dem Markt ausgestiegen und bereits ab Mai 2020 sukzessive wieder eingestiegen. „Durch die konse- quente und schnelle Absicherung des Corona-Drawdowns hatten wir das Risikobudget, um von der Erholung zu pro- fitieren. Unser Modell hat dabei nicht nur frühzeitig Signale zum Wiedereinstieg gegeben, sondern vor allem auch in den anschließenden eineinhalb Jahren konsequent die maximale Aktienquote gehalten“, erklärt Agnesens. Man dürfe den Wiedereinstieg nicht von der Größe des Draw- downs abhängig machen. „Wenn sich die Lage wieder beru- higt, ist es egal, ob der Markt erst bei minus fünf oder bereits bei minus 50 Prozent war. Entscheidend für den Einstieg ist immer das aktuelle Marktumfeld. Auch der Jahreswechsel sollte dabei nur dann eine Rolle spielen, wenn der Kunde explizit ein Risikobudget pro Kalenderjahr hat.“ Nicht eingreifen! Auch Agnesens betont wie wichtig es ist, systematisch zu bleiben und nicht in die Modelle einzugreifen. „Der Mehr- wert eines Modells entsteht häufig dann, wenn es vom Bauchgefühl abweicht.“ Als Beispiel nennt er die Wahl Donald Trumps 2016 zum Präsidenten. „Vom Bauchgefühl hielt man damals in Europa die Luft an, aber das Modell hat die Wahl Trumps nicht als großes Risiko gesehen, sondern stand auf grün. In solchen Marktphasen wäre es ein Fehler, auf seine Emotionen zu hören und das Modell zu übersteuern“, warnt er. Das Finreon-Modell gibt es sowohl für die entwickelten Aktienmärkte als auch für die Aktien aus den Emerging Markets, Kreditrisiken oder Zinsrisiken in Euro, US-Dollar oder Schweizer Franken. „Bei uns geht es insbesondere um die globalen Crashrisiken, weniger um Rückgänge in Ein- zelmärkten“, so Agnesens. Die globalen Entwicklungen sei- en robuster zu messen als Einzelmarktrisiken. Bewirtschaf- ten kann das Modell entweder ein Overlay-Mandat, ein physisches Basisportfolio oder beides. „Von einer pfannen- fertigen Umsetzung als flexibler UCITS-Fondsbaustein für ein- bis zweistellige Millionenbeträge, bis zur maßgeschnei- derten Kombination mit einem VaR-Overlay der KVG ist 226 N o . 2/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Absicherungsstrategien FOTO: © STEPHAN BRAUCHLI | VONTOBEL, GM CASTELBERG | FINREON » Unsere Stellgröße bei GLOCAP ist die Sharpe Ratio, also die Produktivität des eingesetzten Kapitals. « Christoph Loy, Leiter Solutions Deutschland bei Vontobel Quantitative Investments » Ein rechtzeitiger Ausstieg ist enorm wichtig. Nur so kann sichergestellt werden, dass noch Risikobudget für den Wiedereinstieg verbleibt. « Dr: Julius Agnesens, Head of Investment Solutions & Mitglied der Geschäftsleitung, Finreon
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