Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

men haben, exorbitante Gewinne, wenn es zu einemGoing Public oder einem Trade Sale kommt. Vergleicht man das neu investierte Risikokapital eines Kalenderjahres dies- und jenseits des Großen Teichs mit- einander, so kann man die EU getrost einen Zwerg nennen. Denn 2022 – die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor – liegt die EU mit 20,8 Milliarden US-Dollar an investiertem Risikokapital weit abgeschlagen hinter den USA, wo mit stattlichen 246 Milliarden US-Dollar mehr als das Zehn- fache an Venture Capital investiert wurde. Für junge euro- päische Unternehmen sind daher die Wachstumsperspekti- ven eingeschränkt, es sei denn, diese wandern in die USA ab,was schon vorgekommen sein soll, oder starten gleich im Kernland des Kapitalismus. Im Falle des Erfolgs findenWert- schöpfung und Wohlstandsgewinne dann außerhalb der EU statt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sophistizierte VC- Investoren benötigt, um speziell „Deep Tech“Start-ups – also jene, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Technolo- gien wie KI, Quanten-Computing, grünen Wasserstoff oder auch Flüssigsalzreaktoren (moderne Generation von Atom- kraftwerken mit Thorium) in die Praxis umsetzen und meist als disruptiv gelten – zu unterstützen. Diese Deep- Tech-Start-ups benötigen meist noch mehr Zeit und Kapital als andere für ihr Wachstum, weil sie häufig eine umfang- reiche Forschungs- und Entwicklungsphase durchlaufen müssen und zudem ihre Produktentwicklungsphase über- durchschnittlich lang dauert, die zu allem Überdruss auch noch sehr kapitalintensiv ist. Ein entsprechend lange VC- Historie mit erfahrenen Playern wie VC-Fonds mit langem Track Record und ein entsprechend großer Risikokapital- markt, wie ihn die USA zu bieten hat, sind hier unbestreit- bar von Vorteil. Die Zahl der Einhörner steht hier repräsen- tativ für die Vorteile des US-Marktes, und auch China hat bereits mehr Einhörner entwickelt als die EU, wie die Grafik „Wo man Einhörner findet“ illustriert. Aufholtendenz Tatsächlich ist der Risikokapitalmarkt in der EU von einem niedrigen Ausgangsniveau in den letzten zehn Jahren be- trächtlich gewachsen, zuletzt kam es 2022 allerdings zu einem Rückschlag. So stiegen die jährlichen Venture-Capi- tal-Investments von 4,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2013 auf 20,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 (siehe Grafik „Am richtigen Weg“) . Dieses Wachstum ist auf mehrere Fak- toren zurückzuführen. Zum einen wurde der Zugang von Start-ups zu Eigenkapital, das traditionell private Investments umfasst, durch nationale und EU-Förderprogramme verbes- sert. Des Weiteren hat die Wachstumsbeschleunigung 2021 Boomcharakter und folgt damit einer internationalen Ent- wicklung, die durch niedrige Zinsen und eine expansive Fiskalpolitik beschleunigt wurde.Dazu kommt die gute Bör- senentwicklung 2021, die es VC-Fonds gestattete, gute Exits (Trade Sales und IPOs) zu realisieren und viele neue Mittel einzuwerben.Der Thinktank Bruegel meinte in einem Blog- Beitrag von 2021, dass die steigende Zahl von Unicorns und das starke Wachstum der IT-Konzerne den Entrepreneur- Geist in Europa wieder entfacht hätten. 2022 allerdings – nicht zuletzt infolge der steigenden geopolitischen Risiken und des russischen Einmarschs in der Ukraine – erhielt der VC-Markt einen veritablen Dämp- fer durch rückläufige Neuinvestitionen. Dazu kommt, wie der unter anderem auf VC spezialisierte US-Datenkollektor und -auswerter Pitchbook im 2024 erstellten „2023 Annual European Venture Report“ festhält, dass sich der Abwärts- trend 2023 mit einem Rückgang der VC-Investments in Europa um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr fortsetzt. Eine nachhaltige Besserung der Lage ist wohl erst dann in Sicht, wenn sich die Wirtschaftsdaten in Europa verbessern und das Vertrauen der Investoren in stabile Bewertungen zurückkommt. Hilfreich könnte auch die eine oder andere Zinssenkung durch die EZB im Jahr 2024 sein. Regionale Unterschiede Innerhalb Europas gibt es größere VC-Pools im Norden als im Süden und Osten. Die Größe der Risikokapitalmärkte variiert erheblich zwischen den EU-Ländern, wobei sich darin vor allemUnterschiede in den Innovationskapazitäten widerspiegeln, sagt DB Research, da Länder mit führenden Wo man Einhörner findet Die USA ist China hier weit voraus, und die EU hängt hinten dran. Die Zahl der Einhörner zeigt, dass der US-Risikokapitalmarkt der älteste, breiteste und tiefste ist. Als Resultat dieser hervorragenden Bedingungen gibt es dort die meisten nicht gelisteten Firmen mit einer Marktbewertung jenseits der Ein-Milliarden- US-Dollar-Barriere. Zweiter ist China, und für die EU bleibt in diesem Vergleich nur die Bronzemedaille. Quelle: CB Insights, Fortune 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 0 100 200 300 400 500 600 700 USA China EU Anzahl an Einhörnern 190 N o . 2/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Risikokapitalmärkte FOTO: © VINCENT BLOCQUAUX » Deep Tech steht in Europa bei der Finanzierung vor bedeutenden Herausforderungen, es gibt jedoch Anzeichen für Fortschritte. « Jean-François Bobier, Partner und Vice President Deep Tech bei der Boston Consulting Group in Paris

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