Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024
Banken sind hier in mehrfacher Hinsicht überfordert, auch im Hinblick auf die Kreditsicherheiten, die als imma- terielle Wirtschaftsgüter gerade bei jungen grünen und digitalen Geschäftsmodellen schwer greifbar sind. Wagnis- kapitalfinanzierungen in Form von Eigenkapital wäre hier der bessere Weg, doch dieser erfordert einen entsprechend aufnahmebereiten, tiefen Kapitalmarkt. Auch aus einer Wachstumsperspektive heraus wäre solchen Finanzierungen risikoreicher Investitionen der Vorzug zu geben, da allge- mein davon ausgegangen wird, dass eine höhere Eigenkapi- talfinanzierung Hand in Hand mit einem höheren Wirt- schaftswachstum geht. Darauf verweist zum Beispiel der Brüsseler Thinktank Bruegel in einem Paper mit dem Titel „Europe should not neglect its capital market union“. Eine echte Kapitalmarktunion zu schaffen steht weiterhin auf der Brüsseler Agenda. Dabei geht die Idee, einen Bin- nenmarkt für Kapital zu bilden, auf das Jahr 2015 zurück, als die Kommission den ersten Aktionsplan für die Kapital- marktunion präsentierte. Seither wird daran gearbeitet, ohne dass man dem eigenen Anspruch dabei wirklich gerecht wurde. Obwohl einige Fortschritte zu verzeichnen sind und ein zweiter Aktionsplan 2020 vorgestellt wurde, hat man das eigentliche Ziel, nämlich Wettbewerbsgleichheit (Level Playing Field) mit den USA in puncto Finanzierung herzu- stellen, nicht erreicht. So ist beispielsweise der europäische Verbriefungsmarkt relativ überschaubar, und die nationalen Aktienmärkte in der Europäischen Union bleiben in Bezug auf die Marktkapitalisierung als Prozentsatz des BIP deutlich hinten den USA zurück (siehe Grafik „Deutlich abgehängt“) . Das ärgert die Entscheidungsträger in der EU, weswegen etwa Christine Lagarde 2023 in ihrer Rede anlässlich des Europäischen Bankenkongresses meinte, man müsse von einem Bottom-up- zu einem Top-down-Ansatz wechseln. Darunter sind die Schaffung einer gemeinsamen Aufsichts- behörde, ein einheitliches Regelwerk und eine konsolidierte Marktinfrastruktur zu verstehen. David gegen Goliath Risikokapitalmärkte sind unerlässlich für die Finanzierung von Start-ups, damit diese ihr Wachstumspotenzial ausschöp- fen können. Dabei handelt es sich meist um eine direkte Eigenkapitalfinanzierung in Form von Venture Capital (VC). VC-Investoren haben meist andere – nämlich deutlich hö- here – Risiko-Rendite-Präferenzen und investieren ihr Kapi- tal direkt in die Zielunternehmen. Die Gewinne aus diesen Investments werden oft erst mittel- bis langfristig erzielt, mehrere Finanzierungsrunden, die natürlich nur dann durchführbar sind, wenn es genügend Investoren mit ent- sprechend tiefen Taschen gibt, und auch Pleiten inklusive. Im Grunde geht es darum, bei seinen Investments neben Nieten und blassen Firmen den einen oder anderen High- flyer – das berühmte Einhorn (Unicorn) – dabei zu haben, dass eine Marktbewertung von einer Milliarde US-Dollar beziehungsweise Euro erreicht und übertrifft. Hier winken dann als Belohnung für die Investoren der ersten Stunde respektive jene, die an den Finanzierungsrunden teilgenom- Der unterentwickelte Zustand beim Thema Risikokapital ist eklatant. Er bewirkt nicht nur, dass der Großteil der globalen Hochtechnologieunternehmen in den USA angesiedelt sind, sondern wird Europa auch bei Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im Wege stehen. N o . 2/2024 | institutional-money.com 189 Risikokapitalmärkte | PRODUKTE & STRATEGIEN FOTO: © MAXIM CHUEV | STOCK.ADOBE.COM Europe should not neglect its capital market union: im-online.com/ EUR224
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