Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Investoren in Bezug auf den ESG-Aspekt sehr viel früher bewegt als hierzulande. Sie haben es als ihre treuhänderi- sche Verpflichtung verstanden, Verantwortung zu überneh- men, weil sie sehr viel früher davon überzeugt waren, dass man in Zukunft anders wirtschaften muss, und sie haben selbst die Initiative ergriffen und sich umgestellt. Das war in Deutschland bei Weitem nicht so ausgeprägt, daher hat Regulierung trotz aller kontraproduktiven Auswüchse vor allem bei deutschen Institutionellen sehr viel Gutes bewirkt. Sie wirken eher noch skeptisch, Herr Prof. Allinger. Hanjo Allinger: Aus meiner Sicht auch durchaus zu Recht. Denn auch wenn ich die bisherigen Kommentare in gewis- ser Weise nachvollziehen kann, so würde ich – zugegeben etwas provokant formuliert – behaupten: Die Fondsin- dustrie hat bisher gar nichts bewirkt. Und das ist noch nicht einmal ihre Schuld. Es liegt an der Regulierung, die ich mit Verlaub gesagt für vollkommen falsch halte, für wirklich nicht gut gemacht. Denn sie führt dazu, dass wir Kapital in einem unglaublichen Ausmaß einfach in die falsche Richtung, in die falsche Verwendung lenken. Denn wenn wir ehrlich sind, dann existiert der ursprünglich erwartete Transmissionsmechanismus von der Finanzindustrie in die reale Wirtschaft in dieser Form einfach gar nicht. Davon bin ich absolut überzeugt, auch wenn es vielleicht Ausnahmen gibt … …die Sie wo genau verorten? Hanjo Allinger: Insbesondere im bereits angesprochenen Segment Private Equity und vielleicht noch im Bereich der Start-ups. Über beide Kanäle hat sich zum Teil tatsächlich et- was bewegt, aber dann reicht etwas wie Engagement auch schnell an seine Grenzen heran. Es sei denn, man heißt mit Vornamen Black und mit Nachnamen Rock. Dann verfügen Sie über so viel Finanzkapital, dass Sie theoretisch unglaublich viel durchsetzen können. Aber ansonsten sehen wir doch, was passiert: Wir sorgen dafür, dass jene Sektoren, die sich ohnehin schwertun mit der Reduktion von Emis- sionen, noch deutlich weniger Kapital zur Verfügung haben. Dabei müssten wir endlich einmal begreifen, dass wir bis 2050 wie bei einer Art Wandergruppe gemeinsam ans Ziel kommen müssen. Wir können nicht sagen, Heidelberg Materials gehört nicht mehr zum Team, weil die böse sind, und gleichzeitig betonen, dass wir mehr Wasserkraftwerke benötigen. Denn dafür brauchen wir Zement, wie sollten wir die anders bauen? Wollen Sie sagen, dass Fondsbranche und Investoren in Ihrem Bild von der Wandergruppe sozusagen die Schwächsten nicht zurücklassen dürfen? Hanjo Allinger: Schlimmer noch: Derjenige, der sowieso schon fußkrank ist, wird durch die Regulierung auch noch auf Diät gesetzt, indem wir ihm das Kapital entziehen oder es verteuern für die Investitionen, die er notwendigerweise dringend benötigt, um in Richtung des gemeinsamen Ziels weiterzukommen. Edda Schröder: Das entspricht allerdings nicht ganz dem,was ich unter dem Schlagwort Transformation verstehe. Trans- formation wird meines Erachtens nur gelingen, wenn man bewusst und gezielt auf die „schmutzigen“ Unternehmen einwirkt, damit sie sich wandeln. Dazu muss aber auch der Wille zum Wandel spürbar vorhanden sein. Es darf nicht ausreichen, nur vordergründig etwas an der einen oder anderen Ecke zu verändern in der Erwartung, dass man dann schon wieder irgendwie weiter finanziert wird. Es steht, zugegeben, außer Frage, dass der Wandel von heute auf morgen nicht möglich sein wird. Aber auch in der Realwirtschaft muss die intrinsische Motivation spürbar sein, auch wirklich etwas ändern zu wollen. Was meines Erach- tens noch eines zeigt: Die Annahme, Transformation koste kein Geld, war von Anfang an eine vollkommene Fehl- kalkulation. Im Gegenteil, es wird teuer werden, es wird 170 N o . 2/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Roundtable | ESG FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Es sind vor allem Aspekte wie Engagement oder das Proxy Voting, durch die wir wirken können, um etwas zu verändern. « Claudia Röring, Quoniam Asset Management

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