Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Kai Röhrl: Ich weiß, was Sie meinen, aber aus der langen Zeit, die ich bereits für unsere Gesellschaft arbeite, kann ich dazu im Rückblick nur erwidern: Man fängt immer irgend- wo an, so wie wir das bereits in den Jahren 2005 und 2006 mit Aspekten wie Proxy Voting und Engagement getan haben. Andere haben sich vielleicht erst mit der verpflich- tenden Regulierung auf diesen Weg gemacht. Und ich stelle fest: Was uns in gewisser Weise vereint, ist die Tatsache, dass meines Erachtens alle Marktteilnehmer mit vielen Dingen im Zusammenhang mit der Regulierung nicht glücklich sind, ganz gleich wie sie jeweils den Zugang zum Thema ESG gefunden haben. Aber es kann nun mal nicht vom Start weg alles perfekt laufen.Manche Prozesse müssen sich erst einmal einspielen, aber ich habe die Hoffnung, dass sie in Summe von Jahr zu Jahr besser funktionieren. Claudia Röring: Zumal sich doch eines wohl kaum wegdis- kutieren lässt: Das Know-how und die vielgepriesene Aware- ness für das ESG-Thema haben enorm zugenommen, so- wohl bei uns als Produktgebern als auch bei unseren Kun- den. Seit der Verkündung des EU Green Deals ist innerhalb und außerhalb unserer Branche enorm viel geforscht und publiziert worden. Damit wurde das ESG-Thema sehr viel stärker in die Breite getragen. Das ist auf jeden Fall eine positive, wenn auch sehr indirekte Wirkung, die sich hier entfaltet hat. Wobei es aus meiner Sicht extrem stark von den jeweiligen Assetklassen und Investmentarten abhängt, inwieweit man als Asset Manager und dann auch als Asset Owner wirklich eine nachweisbare Wirkung erzielen kann oder auch bereits erzielt hat. Was aber doch eigentlich bedeutet, dass es vor allem indirekte Wirkkanäle sind, über die Sie als Anbieter von liquiden Assets einen Beitrag leisten können. Claudia Röring: Da gebe ich Ihnen durchaus recht. Es sind eben vor allem Aspekte wie Engagement oder das Proxy Voting, durch die wir wirken können, um etwas zu ver- ändern. Als Fondsindustrie in der Breite ist es zudem ein Zuwachs an Transparenz, den wir schaffen können. Und nicht zuletzt können wir gemeinsam mit der Regulierung auf eine Standardisierung hinwirken, um das Thema auch für unsere Anleger verständlicher zu machen. Das alles ändert nichts daran, dass die Regulierung einerseits extrem komplex bleibt und andererseits massiv Ressourcen bindet, und das ohne am Ende unbedingt dazu beizutragen, den Anleger sozusagen besser abzuholen. Barbara Wokurka: Mit Blick auf unsere Ausgangsfrage sollte man im Übrigen nicht vergessen, dass die Finanzindustrie im Prinzip sehr bewusst von Politik und Regierung benutzt wurde, um das Ziel von mehr Nachhaltigkeit umzusetzen. Letztlich soll damit bewirkt werden, dass die Realwirtschaft sich ändert, dass sie anders und eben vor allem nachhaltiger wirtschaftet, als sie das bislang getan hat. Das ist es im End- effekt, was auf einmal zu einem unglaublichen Wachstum der nach Artikel 8 SFDR zugelassenen Fonds geführt hat. Wobei dieses Wachstummit den aufgekommenen Ängsten vor Greenwashing schon wieder rückläufig ist. Daran zeigt sich, dass auch ESG nicht vor typischen Wellenbewegungen gefeit ist, wie man sie auch von anderen Erscheinungen her kennt. Einmal abgesehen davon, dass auch ich davon aus- gehe, dass es zu einer solchen Entwicklung gar nicht gekom- men wäre, hätte es den Anstoß durch eine überbordende Regulierung nicht gegeben, darf man nicht verkennen, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in gewisser Weise speziell ist. Was meinen Sie mit „speziell“? Barbara Wokurka: Im Unterschied zu Ländern wie Groß- britannien oder den Niederlanden bewegen sich viele Dinge in Deutschland meiner Erfahrung nach nur, wenn die Menschen mehr oder weniger stark dazu angehalten werden. Oft fehlt eine Art intrinsische Motivation. In den Niederlanden haben sich gerade die großen institutionellen 168 N o . 2/2024 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Roundtable | ESG FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Ich würde – zugegeben etwas provokant formuliert – behaupten: Die Fondsindustrie hat mit dem Thema ESG bisher gar nichts bewirkt. « Hanjo Allinger, CAP2

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