Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Lohnersatzrate Worauf die meisten Menschen schielen, ist natürlich die Höhe der ausgezahlten Altersrente. Im Regelfall wird sie als Brutto- oder Nettolohnersatzrate angegeben, also wie viel die Rentenzahlung vom letzten Brutto- beziehungsweise Nettolohn ausmacht. Melchiors verweist darauf, dass die Niederlande bei der Betrachtung des Versorgungsniveaus mit Abstand führend sind. „Je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Tarifverbänden und individueller Situation sind Nettoersatzraten von mehr als 80 Prozent in den Niederlanden keine Seltenheit. Die Brutto- und Nettoersatzrate kann in den Niederlanden sogar bis knapp an die 100 Prozent heranreichen. Auch in Frank- reich ist das Versorgungsniveau vergleichsweise hoch.“ Im deutschen Parlament wurde in letzter Zeit auffallend häufig von dem augenscheinlich hohen Rentenniveau in Österreich gesprochen. Eine aktuelle Studie des Wissen- schaftlichen Dienstes des Bundestags im Auftrag der Linken zeigt: In Österreich kann man nach 45 Beitragsjahren mit 80 Prozent des Bruttolohns rechnen, was tatsächlich ver- gleichsweise viel ist. Vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass sowohl das französische als auch das österrei- chische System sehr teuer sind und für die zukünftige Finanzierung Fragen aufwerfen. Dagegen musste der deut- sche Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) tüchtig Schelte einstecken, als er anlässlich der Vorstellung des Ren- tenpakets II imMärz 2024 ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent dauerhaft – zumindest bis zum Jahr 2039 – ver- sprach, ebenfalls nach 45 Beitragsjahren, allerdings besonders von den Arbeitgebern. Denn selbst dieses Leistungsniveau verteuert den paritätischen Aufwand in der Zukunft erheb- lich. Verbessert wird das vergleichsweise niedrige Renten- niveau in Deutschland durch die bAV und die Riesterrente, die jedoch beide freiwillige Altersvorsorgeelemente darstel- len, allerdings mit steuerlicher Förderung. Aber wie das so ist bei freiwilligen Altersvorsorgemöglichkeiten: Es machen nicht alle mit. Flankierende soziale Maßnahmen Letztlich kommt es für die Menschen aber nicht nur auf die Höhe der Rentenzahlung an, sondern auch darauf, was sie damit bestreiten müssen. „In Schweden zahlt man keine Sozialabgaben auf seine Altersrenten, und im Pflegefall wer- den sämtliche Kosten für Pflege, medizinische Versorgung oder Heimplatz von der Kommune, in der man lebt, be- zahlt“, sagt Melchiors. Das sieht in Deutschland ganz anders aus. Von den rund 1.900 Euro, die ein deutscher Spareck- Rentner (dieser hat 45 Jahre lang Durchschnittseinkommen verdient und darauf Rentenversicherungsbeiträge abgeführt) derzeit erhält, werden noch Beiträge in die Kranken- und Pflegekasse abgezogen, und ein paar Euro Steuern fallen ge- gebenenfalls ebenfalls an. „Und wenn Sie in Deutschland zum Pflegefall werden, werden Sie daran arm“, meint Mel- chiors. Er kommentiert diesen Schweden-Deutschland-Ver- gleich weiter: „Schweden ist einfach ein Welfare-Staat, das macht sich an vielen Stellen bemerkbar. Beispielsweise gibt es dort neben einer guten Pflegeunterstützung für Rentner ein vernünftiges Wohngeldsystem, bei dem auch diejenigen, die im eigenen Häuschen wohnen, Heizkostenunterstüt- zung erhalten können.“ Sichtbar wird die soziale Ausrich- tung in Schweden auch daran, dass dort Arbeitgeber und Arbeitnehmer unbegrenzt in die Rentenkasse einzahlen, obwohl es für die Leistung eine Obergrenze gibt. „In der Schweiz ist das genauso, vielleicht sogar noch deutlicher als in Schweden“, sagt Sebastian Sturm, der selbst in der Schweiz lebt und arbeitet. „In der Schweiz zahlt bei- spielsweise der Novartis-Chef den vollen Beitrag auf sein komplettes Gehalt, samt Bonus. Die spätere Rentenhöhe ist hingegen gedeckelt. Da wird also in der Rente tüchtig um- verteilt.“ Andererseits ist der Steuersatz auf Einkommen in Versorgungsniveau Netto-Rentenniveau für Geringverdiener (0,5), Durchschnittsverdiener (1) und Gutverdiener (2) in Prozent Aufgrund von Kappungen fällt die Nettolohnersatzrate mit zunehmender Höhe des Einkommens in den betrachteten Ländern – außer in Schweden. In Deutschland macht die freiwillige Altersvorsorge (bAV) 17,3 Prozent der Gesamtrente für den Durchschnittsverdiener aus. Quelle: Institut „Wirtschaft und Gesellschaft“ (IWG), OECD: „Pension at a Glance“ 2021 und OECD-Datenbank 1 0,5 2 1 0,5 2 1 0,5 2 1 0,5 2 1 0,5 2 1 0,5 2 Frankreich Deutschland Niederlande Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Netto-Pflichtrenten (gesetzliche + andere) Gesamt inklusive bAV 71,3 74,4 64,5 75,0 70,2 58,3 94,3 89,2 87,0 65,1 56,2 75,3 57,8 50,7 27,9 79,2 58,1 47,7 156 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Europäische Rentensysteme Bei der bAV sind einfache Übertra- gungsmöglichkeiten durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer wünschenswert, aber überwiegend noch nicht gelebte Praxis.

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