Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

relativ frei ein individuelles Fondsportfolio zusammenstellen. Sie können bis zu fünf Fonds auswählen und später von einem Fonds in einen anderen switchen. In Schweden las- sen sich auch die staatlichen Fonds aus dem AP7-Programm mit den Fonds der privaten Fondsanbieter kombinieren. „Als Schweden die Kapitaldeckung eingeführt hat, gab es zunächst einen regelrechten Wildwuchs an Fonds, aus denen die Bürger wählen konnten. Dabei hat man fest- gestellt, dass sich bei einer breiten Angebotspalette die Men- schen schwertun, sich zu entscheiden, und mancher Fonds auch nicht wirklich geeignet war für die Altersversorgung. Daher wurde in Schweden die angebotene Produktpalette reduziert“, berichtet Melchiors. Kostenkontrolle Er verweist auf die negativen Erfahrungen, die man in Groß- britannien gemacht hat. „Dort wurden den Bürgern manch- mal völlig überteuerte Pensionsfonds angeboten. Die Men- schen wurden regelrecht abgezockt, sodass der Gesetzgeber einschreiten musste. Dort habe man jetzt mit dem „Nest“ einer staatlich eingerichteten Anlageform eine Alternative, erklärt Melchiors. Ähnliche Erfahrungen hat man auch in Australien mit dem Superannuation-System gemacht, das 1992 eingeführt wurde. Damals wurde das staatliche Rentensystem in Down Under auf ein Mischsystem aus niedriger staatlicher Grundrente und Zusatzversorgung durch private Pensionskonten umgestellt.Weil auch hier die Kosten der angebotenen Superannuation-Fonds zu hoch waren, ergriff Australiens Regierung 2010 Gegenmaßnah- men.Mit der Offensive namens SuperStreamwurde Austra- liens Altersvorsorge nicht nur kostengünstiger, sondern auch einfacher und effizienter gestaltet: Es wurden einheitliche Datenstandards eingeführt, um die Digitalisierung voranzu- treiben. Außerdem wurde in Australien – ähnlich wie in Schweden – die Anzahl der Vehikel konsolidiert. 2013 wur- de dann ein besonders kostengünstiger Default-Superfonds namens „MySuper“ eingerichtet, in den die Zahlungen derjenigen fließen, die sich für keinen speziellen Fonds ent- scheiden. Sowohl in Großbritannien als auch in Australien ließ sich beobachten, dass staatlich angeordnetes Altersvor- sorgesparen in Kombination mit steuerlichen Förderungen bei privaten Produktanbietern leicht zu einer gewissen Selbstbedienungsmentalität führt, wenn die Kosten nicht kontrolliert werden. In Kanada hat man aus diesen Beobachtungen bereits Konsequenzen gezogen. Sturm berichtet, dass die Menschen dort nur solche Produkte für die ersten Säule der Altersvor- sorge nutzen können, die von der Aufsichtsbehörde geneh- migt wurden. „In Kanada werden also im Vorfeld Leistung und Kosten der Fonds überprüft“, so Sturm. Melchiors führt an, dass es in Deutschland vor Kurzem ebenfalls zu einer Kostenkorrektur bei einem Versicherer ge- kommen ist, allerdings bei der ungeförderten privaten Altersvorsorge. „Anfang 2024 musste der Versicherer für seine Fondspolice rückwirkend um 0,7 Prozent höhere Überschüsse gutschreiben, weil sie von den Fonds nicht erlaubte Kickbacks erhalten haben.“ Er ist beeindruckt, wie die Finanzaufsicht Bafin die zu hohe Kostenbelastung in den Policen aufgedeckt und für einen Ausgleich bei den Kunden gesorgt hat – in diesem Fall sogar bei laufenden Verträgen. „Es ist gut, wenn die Aufsicht die Produktkosten im Blick hat – zum Schutz der Kunden und zum Ver- Das Renteneintrittsalter steigt Das Rentenalter wird in europäischen Staaten sukzessive angehoben, zuletzt in der Schweiz für Frauen im November 2022. In der Ausgestaltung bestehen große Unterschiede. Beispielsweise wird das Renteneintrittsalter in den Niederlanden dynamisch an die Lebenserwartung angepasst. Quelle: Institut „Wirtschaft und Gesellschaft“ (IWG), OECD: „Pension at a Glance“ 2021 und OECD-Datenbank Momentanes Renten- antrittsalter Männer Momentanes Renten- antrittsalter Frauen Zukünftiges Renten- antrittsalter Männer Zukünftiges Renten- antrittsalter Frauen 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 Frankreich Deutschland Niederlande Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 64,5 64,5 66 66 65,7 65,7 67 67 66,3 66,3 69 69 65 65 65 65 65 64 65 64 66 66 67 67 neu: 65 neu: 67 neu: 67 154 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Europäische Rentensysteme FOTO: © INSTITUT WUG Länder mit einer obligatorischen oder Opting-out- bAV erreichen ins- gesamt ein höheres Versorgungsniveau. » In den Niederlanden und in Schweden haben mehr als 90 Prozent der Menschen einen bAV-Anspruch. « Dr. Sebastian Sturm, einer der drei Partner beim Institut „Wirtschaft und Gesellschaft“

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