Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

F ragt man 100 Leute auf der Straße, wie sie Börsen- händler beziehungsweise Trader als Berufsgruppe einschätzen, sind wahrscheinlich nicht allzu viele positive Aussagen dabei. Zwar dürften die meisten Befragten nicht im Detail wissen, wie dieser Job in Wirklichkeit aus- sieht, aber die subjektive Wahrnehmung der breiten Öffent- lichkeit wurde in der Vergangenheit durch erfolgreiche Bücher und Filme insgesamt deutlich zum Negativen be- einflusst. Die Protagonisten waren darin oft zwielichtige Gestalten, die als Händler mit hohem Risiko, illegalen Ge- schäften, rücksichtslosem Verhalten und exzessivem Lebens- stil auffielen. Ein Klassiker war der Film „Wall Street“ aus dem Jahr 1987. Darin wurde der Insiderhandel mit Aktien porträtiert und das Motto „Gier ist gut“ geprägt. Anders als diese fiktive Story basiert das 1989 erschienene Buch „Liar’s Poker“ auf den Erfahrungen des Autors Michael Lewis im Anleihenhandel. Auch hier kamen Trader nicht viel besser weg, denn sie folgten dem „Gesetz des Dschungels“. Ein drit- tes Beispiel ist das 2007 veröffentlichte Buch „The Wolf of Wall Street“ von Jordan Belfort. Es beruht auf einer wahren Begebenheit rund um Pump-and-Dump-Geschäfte mit Pennystocks. Man kann zwar davon ausgehen, dass einige Darstellun- gen in Büchern und Filmen stark übertrieben sind. Doch die öffentliche Wahrnehmung wird dadurch trotzdem nach- haltig beeinflusst. Zudem haben einzelne Skandale aus der realen Welt das negative Bild noch verfestigt. So etwa „Rogue Trader“wie Nick Leeson, der 1995 die Barings Bank zu Fall brachte, oder Jérôme Kerviel, dessen nicht autorisierte Trades die Société Générale im Jahr 2008 mit einem horren- den Verlust von 4,9 Milliarden Euro schließen musste. From Fiction to Fact Die meisten Skandale stammen aus einer Zeit, da Banken umfangreich Eigenhandel betreiben durften und die Regu- lierung weniger streng war. Man könnte also behaupten, dass vieles davon heute so nicht mehr möglich wäre.Hinzu kommt, dass der Job eines Traders in Wirklichkeit ganz an- ders aussieht, als es sich viele auf Basis von Büchern und Fil- men vorstellen und es häufig in denMedien dargestellt wird. Die Handelsumsetzung ist keine mechanische Tätigkeit im Sinne von „Wertpapier wählen, Knopf drücken, Gewinn oder Verlust abwarten“. Denn viele Fälle, in denen das mög- lich ist, werden längst durch Algorithmen abgewickelt. Menschliche Trader kommen dagegen zum Einsatz,wenn es sich um große Positionen oder komplexe Bereiche handelt. Letzteres ist beim Handel von Unternehmensanleihen der Fall.Die Komplexität ist hoch, da der Markt segmentiert und relativ illiquide ist. Das liegt auch an aufsichtsrecht- lichen Änderungen wie der Volcker Rule in den USA und den Basel-Anforderungen in Europa, die zu einer Reduktion der Aktivitäten im Market Making geführt haben. Seitdem werden Transaktionen vermehrt im Voraus arrangiert. Zu- dem konzentriert sich das Trading auf wenige große Händ- ler. Deshalb wird das Geschäft bis heute von persönlichen Beziehungen mitbestimmt. Aus diesen Gründen ist der Anteil des elektronischen Handels immer noch vergleichs- weise gering und nimmt auch nur langsam zu. Anders als Aktien werden Corporate Bonds von Profis nach wie vor überwiegend telefonisch gehandelt (siehe Grafik „Telefon- handel dominiert immer noch“). Dieses Umfeld erfordert ein hohes Maß an Expertise, so- wohl was die Strukturierung der Transaktionen als auch das Risikomanagement angeht. Erfahrene Trader können des- halb einen echten Mehrwert darstellen. So beschreibt etwa Sonali Pier von Pimco in einem Interview mit „The Desk“, wie Händler als Portfoliomanager fungieren. Sie haben Augen und Ohren am Markt, tauschen sich mit anderen Trading wird vielfach als Spekulation betrachtet und ist manchen suspekt. Doch gerade bei Unternehmensanleihen gibt es klare Vorteile, wenn Fondsmanager über Erfahrung und Netzwerke aus dem aktiven Handel verfügen. Gefragte Erfahrung 144 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Corporate-Bond-Trader FOTO: © UNIVERSITÄT STUTTGART Der Handel ist keine mechanische Tätigkeit im Sinne von „Wertpapier wählen, Knopf drücken, Gewinn oder Verlust abwarten“. » Trader-Manager sind in der Lage, kurzfristige Handelsgelegenheiten auszunutzen. « Franziska Weishaupt, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Stuttgart

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