Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Hier ist der mittlere Guidance Bias –0,2 Prozent. Die For- scher schreiben, dass die Auswirkungen des Kapitalgewinn- überhangs auf den Bias stärker sind, wenn die jeweiligen Aktien hohe Umsätze und hohe Volatilitäten aufweisen. Neben dem fundamentalen Guidance Bias betrachten die Forscher die entsprechenden Kursreaktionen in einem drei- tägigen Zeitfenster um die Bekanntgabe der Prognosen sowie die Veröffentlichung der tatsächlichen Zahlen (siehe Grafik „Prognose vs. Realität“). Hier verzeichnen Firmen im untersten Quintil an Kapitalgewinnüberhang bei Bekanntga- be der Guidance imMittel um 0,85 Prozentpunkte höhere Drei-Faktor-Renditen als Unternehmen im obersten Quintil. Das bestätigt, dass das Management die Aktienkurse durch Prognosen bewegen kann. Allerdings kehrt sich der Effekt weitgehend um, wenn die tatsächlichen Zahlen veröffent- licht werden. Hier haben Firmen im untersten Quintil 1,07 Prozentpunkte niedrigere abnormale Renditen als Unter- nehmen im obersten Quintil. Der Prognosebias führt dem- nach zu einer vorübergehenden Überbewertung von Firmen mit besonders niedrigem Überhang an Kapitalgewinnen. Nach einigen Monaten schwacher Aktienkursentwick- lung sollten Anleger die Prognosen des Managements also besonders kritisch hinterfragen. In derartigen Situationen besteht ein starker Anreiz, zu optimistische Prognosen ab- zugeben. Die Wahrscheinlichkeit ist dann hoch, dass die Erwartungen bei späterer Vorlage des Jahresabschlusses enttäuscht werden. Das deckt sich mit Ergebnissen früherer Studien, wonach Manager die Veröffentlichung schlechter Nachrichten aufschieben und die Persistenz negativer Gewinnüberraschungen herunterspielen. Eine Vertrauensfrage Die Manager müssen aber beachten, dass mit bewusst ver- zerrten Prognosen das Risiko eines Reputationsverlustes ein- hergeht. Das gilt vor allem dann, wenn die Abweichungen zu den später tatsächlich berichteten Zahlen wiederholt negative Überraschungen beinhalten. Dadurch werden An- leger in die Irre geführt. Zudemwird der Versuch offensicht- lich, dass schlechte Zahlen lediglich kaschiert werden sollen, um auf Zeit zu spielen und Investoren bei der Stange zu halten. Eine übermäßige Einflussnahme kann das Vertrauen der Anleger also nachhaltig untergraben, indem die Glaub- würdigkeit des Managements infrage gestellt wird. Die Re- putationskosten fallen aber geringer aus, wenn die Progno- sen einen langen zeitlichen Vorlauf haben und die Spann- weite der Analystenschätzungen groß ist. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Forscher wider. Passend zum dann geringeren Risiko sind die Prognosen der Manager in diesen Fällen stärker verzerrt. Interessant ist auch, dass sich in den Ergebnissen eine grundsätzliche Ausnahme zeigt, für die der Bias fast verschwindet. Diese gilt, wenn ein neuer CEO das Ruder übernimmt. Da er nicht für die vergange- nen Aktienrenditen verantwortlich ist, bestehen kaum An- reize, diese bei den initialen Prognosen zu berücksichtigen. Unterm Strich zeigt die Forschungsarbeit, dass die Genau- igkeit und die Glaubwürdigkeit bei den Geschäftszahlen dank strikter Regularien heute recht hoch sind, der Trend bei zukunftsbezogenen Aussagen zum Teil aber in die an- dere Richtung verläuft. Das Management kann die Gui- dance strategisch beeinflussen, ohne direkte Konsequenzen befürchten zu müssen. Entsprechend vorsichtig sollten An- leger zukunftsbezogene Aussagen bewerten. Sie könnten durch das Motiv verzerrt sein, die Erwartungshaltung und den Aktienkurs zu beeinflussen. Intern dürfte das zu recht- fertigen sein, um aber mögliche Reputationsrisiken zu ver- meiden, könnte es sinnvoll sein, den Spielraum für den Gui- dance Bias durch eine entsprechende Corporate Governance einzugrenzen. Eine Alternative bestünde darin es, aus dem Guidance-Spiel gleich ganz auszusteigen, also auf Angaben zu erwarteten Gewinnen zu verzichten.Doch das ist leichter gesagt als getan, wie das Paper „Do Firms Get ,Stuck‘ Issuing Quarterly Earnings Guidance?“ zeigte. Demnach stecken Firmen, die regelmäßig Prognosen abgeben, in diesem Pro- zess fest. Wer die Guidance einstellt, muss befürchten, dass Anleger dies als negatives Signal für die künftige Perfor- mance (fehl)interpretieren – bei Netflix genügte vor Kurzem dazu schon die Ankündigung, die Zahl der Neuverträge nicht mehr publizieren zu wollen . DR. MARKO GRÄNITZ Prognose vs. Realität Die empirische Untersuchung bestätigt das Modell. Die Quintile basieren auf dem monatsweise geschätzten durchschnittlichen Kapital- gewinnüberhang der betrachteten US-Aktien . Der mittlere Guidance Bias und der mit der Ankündigung der Prognose einhergehende Renditeeffekt sind bei Aktien mit zuvor enttäuschenden Renditen (Quintil 1) am höchsten. Bei Bekanntgabe der tatsächlichen Zahlen profitieren dagegen Aktien aus höheren Quintilen, bei denen es gegenüber der Guidance eher zu positiven Überraschungen kommt. Quelle: Lohmeier, N. / Mohrschladt, H. (2024), A Catering Theory of Earnings Guidance, S. 37 -1,0 % -0,8 % -0,6 % -0,4 % -0,2 % 0,0 % 0,2 % 0,4 % 0,6 % 0,8 % 1,0 % Quintil 5 – Quintil 1 Quintil 5 Quintil 4 Quintil 3 Quintil 2 Quintil 1 3-Faktor-Rendite bei Guidance-Bekanntgabe 3-Faktor-Rendite bei Bekanntgabe der tatsächlichen Zahlen Guidance Bias 142 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Kursverluste-Optimismus Mit bewusst verzerr- ten Prognosen geht das Risiko eines Reputationsverlusts einher. » Das Management kann die Aktienkurse durch seine Guidance durchaus beeinflussen. « Hannes Mohrschladt, School of Business & Economics, University of Münster

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