Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Modell sowohl die Ursache als auch die Wirkung beeinflus- sen, während Collider umgekehrt wiederum davon beein- flusst werden. Vereinfacht gesagt sorgen beide Effekte für teilweise Zirkelbezüge und ungeahnte Wechselwirkungen. Die Folge ist, dass Forscher, die auf diese verzerrenden Merkmale hin optimieren, ohne böse Absicht und trotz bester Bemühungen zu Faktorstrategien gelangen, die impli- zit p-Hacking aufweisen. Das liegt daran, dass die Spezifika- tion mit dem vermeintlich höchsten Erklärungsgehalt, in der Regel anhand des Bestimmtheitsmaßes, selektiert wird. Doch die statistische Erklärbarkeit trügt. Rückblickend basiert sie eher auf optimierten als auf tatsächlich kausalen Zusammenhängen. Trotzdem schaffen es falsch spezifizierte, überoptimierte Modelle, durch ihren scheinbar hohen Erklärungsgehalt die eigentlich besseren, richtig spezifizier- ten Ansätze zu verdrängen. Sie können in der geschönten rückblickenden Betrachtung nicht mithalten. Kausale Modelle Im realen Einsatz folgt dann die Enttäuschung. Im Fall von Confoundern schneiden die falsch spezifizierten Modelle schlechter ab als die korrekte Spezifikation. Im Fall von Col- lidern werden sogar systematische Verluste verursacht. Die Forscher schreiben, dass das selbst dann gilt, wenn die Risi- koprämien mit dem richtigen Vorzeichen geschätzt wurden und alle Korrelationen konstant bleiben. Deshalb ist es in der Entwicklung von Faktormodellen unabdingbar, die Spezifikationen ganz genau zu überprüfen und auch zu rechtfertigen. Dabei ist es den Autoren zufolge zielführend, der tatsächlichen kausalen Struktur des datenerzeugenden Prozesses auf die Schliche zu kommen und den dadurch verifizierten Faktoren zu folgen. Erste Studien zu kausalen Modellen gibt es bereits. So stellt das Paper „Causal Discovery in Financial Markets: A Framework for Nonstationary Time-Series Data“ fest, dass Value (HML) im 3-Faktor-Modell von Fama/French einen problematischen Collider darstellen kann. Im Paper „Re- Examination of Fama-French Factor Investing with Causal Inference Method“wird dagegen das 5-Faktor-Modell unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich, dass sich nur Value (HML) und Investment (CMA) als Regressoren für Aktien- renditen eignen. Bislang steckt das Forschungsfeld in Bezug auf die Finanzmarktforschung aber noch in den Kinder- schuhen. Es ist also zu erwarten, dass künftig weitere Ergeb- nisse aus kausalen Modellen publiziert werden. Im Detail sind diese zwar ebenfalls kompliziert und bringen ihre eige- nen Herausforderungen mit sich. Doch was ist die Alter- native? Weitere 100 Faktoren für den Zoo zu entwickeln? Letztlich liegt die Beweislast für die tatsächliche Funk- tionsweise bei den Entwicklern der Faktorstrategien. Ohne klare Nachweise besteht ein erhebliches Risiko, dass das Modell überoptimiert ist und Anleger wahrscheinlich schlechtere Ergebnisse erzielen. In Zukunft werden Back- tests, denen erfahrene Praktiker schon lange skeptisch gegen- überstehen, dafür nicht ausreichen. Der Trend geht in Rich- tung kausaler Zusammenhänge, die ein besseres Verständnis der Finanzmärkte ermöglichen könnten. Wirklich enden dürfte der Faktor-Winter aber erst, wenn sich das Ganze auch in messbaren Anlagerenditen niederschlägt. DR. MARKO GRÄNITZ Kein Blumentopf zu gewinnen Zehn Jahre Enttäuschung bei Multifaktorstrategien Dargestellt ist die Wertentwicklung einer der breitesten Faktor-Investing-Benchmarks, des Bloomberg Goldman Sachs Asset Management US Equity Multi-Factor Index. Er bildet die Long/Short-Performance von Momentum, Value, Quality und Low gleichgewichtet nach Risiko ab. Selbst vor Transaktionskosten und Gebühren war hier in den letzten zehn Jahren kein Blumentopf zu gewinnen. Quelle: López de Prado, M. / Zoonekynd, V. (2024), Why Has Factor Investing Failed?: The Role of Specification Errors, S. 4 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023 95 100 105 110 115 120 Bloomberg GSAM US Equity Multi-Factor Index 138 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Faktorstrategien In Zukunft werden Backtests, denen erfahrene Praktiker schon lange skeptisch gegenüberstehen, nicht ausreichen. » Spezifikationsfehler sind für Faktoranleger häufiger und gefährlicher als bisher angenommen. « de Prado, M. L. / Zoonekynd, V. (2024), Why Has Factor Investing Failed?: The Role of Specification Errors, ADIA Lab Research Paper Series Nr. 7

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