Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

der Stichprobenschätzungen. Das bedeutet, dass die Wahl der scheinbaren Details zur Ausgestaltung von Faktoren in Wahrheit einen ganz entscheidenden Einfluss auf das gene- relle Ergebnis hat. Selbst die Väter des 3-Faktor-Modells, Eugene Fama und Kenneth French, führen heute einige klare Kritikpunkte an. Sie schreiben, dass man über Details der Faktorkonstruktion streiten kann und dass die Modelle grundsätzlich Lücken in der Erklärung der erwarteten Renditen aufweisen. Besonders deutlich ist folgender Hinweis aus einem ihrer Paper: „Die Instabilität der Parameter und statistische Fehler führen dazu, dass Schätzungen erwarteter Renditen unzuverlässig sind.“Mit anderen Worten: Man kann sich einfach nicht auf Faktormodelle verlassen. Korrelation vs. Kausalität Bislang wurde die Schuld für die schlechte Performance von Faktorstrategien in der Praxis auf Mehrfachtests, p-Hacking und HARKing geschoben (siehe Infokasten). Doch das ist nicht alles. Geht es nach Marcos López de Prado, der schon mehrfach durch Kritik an traditionellen Faktormodellen aufgefallen ist, sind diese grundsätzlich fehlerhaft. Das Pro- blem ist ihm zufolge, dass sie nicht den zugrunde liegenden, datengenerierenden Prozess an den Märkten abbilden und demnach von Vornherein nicht korrekt spezifiziert sein dürf- ten. Stattdessen unterstellt man auf Grundlage von Rück- rechnungen, dass das Halten von Wertpapieren mit einem nicht diversifizierbaren Risiko X im Durchschnitt belohnt wird, und wählt kurzerhand die Spezifikation mit dem höchsten Erklärungsgehalt aus. Dieses bereits genannte noble Ziel, die Renditen möglichst vollständig erklären zu wollen, scheint den Modellen dabei zum Verhängnis zu werden. Gemeinsam mit seinem Koautor Vincent Zoonekynd schreibt López de Prado (beide Abu Dhabi Investment Authority) im Paper „Why Has Factor Investing Failed?: The Role of Specification Errors“, dass die ökonometrischen Grundlagen, die in der traditionellen Faktorforschung verwendet werden, zu Spezifikationsfehlern führen. Den Forschern zufolge können diese Fehler die erratische Per- formance von Faktorstrategien besser erklären als zeitlich variierende Risikoprämien, bei denen ein verändertes Verhal- ten des Marktes oder der Anleger zugrunde liegen müsste. Ist ein Faktormodell dagegen von Vornherein falsch spezi- fiziert, werden die Parameterschätzungen systematisch verzerrt. Genau das ist dem Paper zufolge nicht nur häufig der Fall, sondern auch gefährlicher als oft vermutet. Denn im Vergleich zum korrekt spezifizierten Modell kann je nach Fehler eine Underperformance oder ein systematischer Verlust resultieren. Confounder und Collider Allerdings wird in der Faktorforschung oft angenommen, dass der Einbezug irrelevanter Faktoren kein großes Risiko darstellt. Deshalb wirft man bei den Regressionen gern alles in einen Topf, um jegliche Variablen zu berücksichtigen, die möglicherweise relevant sein könnten. Das Problem ist, dass darunter auch Störfaktoren (Confounder) und kollidierende Faktoren (Collider) sind, deren sich die Entwickler über- haupt nicht bewusst sind. Dabei können Confounder im Scheinbare Details führen zu enormen Diskrepanzen Sharpe-Ratio-Verteilung vieler Varianten des Value-Faktors Die Grafik zeigt annualisierte Brutto-Sharpe-Ratios für 256 verschiedene Konstruktionsvarianten des Value-Faktors (HML). Die Spanne der Ergebnisse reicht von 0,18 bis 1,24. Zeitraum der Stichprobe: 1972 bis 2021. Quelle: Soebhag, A. / Van Vliet, B. / Verwijmeren, P. (2022), Non-Standard Errors in Asset Pricing: Mind Your Sorts, S. 37 0 64 128 192 256 0,0 0,4 0,8 1,2 Gleichgewichtet Nach Marktkapitalisierung gewichtet Sharpe Ratio Fama/French Median N o . 2/2024 | institutional-money.com 137 Faktorstrategien | THEORIE & PRAXIS » Faktormodelle, egal wie sie konstruiert sind, lassen Lücken in der Erklärung der erwarteten Renditen. « Fama, E. F. / French, K. R. (2023), Production of U.S. Rm-Rf, SMB, and HML in the Fama-French Data Library, Chicago Booth Paper Nr. 23-22 Das noble Ziel, die Renditen möglichst vollständig erklären zu wollen, scheint den Modellen zum Verhängnis zu werden.

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