Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

Fall geringer sind als im ersten.Daraus folgern sie wiederum, dass es in beiden Fällen vorteilhaft ist, so vorzugehen, als wä- re die Inflationspersistenz hoch. Eine derartige Politik ist zwar – wie bereits erwähnt – nicht ideal, sie verhindert aber in jedem Fall den Worst Case. Adaptiertes Modell Um ihren Ansatz zu belegen, bedienen sich die Autoren des New Keynesian Models, das 2001 von Clarida, Galí und Gertler (CGG) entworfen wurde.Das Modell berücksichtigt gängige makroökonomische Größen wie die Binneninfla- tion, reale Wechselkursraten oder die Produktionslücke. Zwei Änderungen wurden im Vergleich zum von CGG be- schriebenen Aufbau eingeführt: Erstens haben die Autoren eine inhärente Trägheit in Preisen und Nachfrage hinzuge- fügt. Diese Anpassungen helfen demModell, die empirisch beobachtete glockenförmige Impuls-Reaktions-Funktion der Inflation besser abzubilden, wie sie in monetären Vektor- autoregressionen gezeigt wurde. Zweitens haben die Autoren eine verhaltensbedingte Abzinsung in der offenen volkswirtschaftlichen Phillips-Kur- ve eingeführt. Sie gehen außerdem davon aus, dass die Zen- tralbank der Stabilisierung der Produktionslücke ein relativ hohes Gewicht beimisst, und wählen den Offenheitspara- meter des Modells so, dass eine relativ geschlossene Volks- wirtschaft – vergleichbar mit dem Euroraum oder den USA – abgebildet wird. Die Reaktion der solcherart entworfenen Modellwirt- schaft auf einen Kostenschock ist in der Grafik „Wenn Noten- banken irren“ dargestellt. In der oberen Hälfte der Grafik zeigt die rote Linie die Ergebnisse, wenn die Inflationsper- sistenz hoch ist, die Zentralbank sie aber als moderat ein- schätzt. Die durchgezogene blaue Linie zeigt die optimale Politik. Wie zu erwarten, dauert es deutlich länger, bis die inländische Inflation – im Verhältnis zu ihrem Zielwert – sinkt, wenn die Zentralbank einen Fehler macht. Aber die Inflation erreicht auch einen deutlich höheren Spitzenwert als sonst. Der Grund dafür ist, dass die Realzinsen – also der Leitzins minus Inflation – unter dem Niveau bleiben, das erforderlich wäre, um die Wirtschaft schnell abzukühlen. Zeitverzögerter Schock Eine Politik des Abwartens und Beobachtens erfordert eine Kurskorrektur, wenn die tatsächliche makroökonomische Realität schlagend wird. Die Autoren nehmen hier etwas willkürlich fünf Quartale nach dem Schock an. Wenn die Zentralbank in diesem Beispiel erkennt, dass die Inflations- persistenz im Gegensatz zu ihren Erwartungen hoch ist, erhöht sie den Leitzins deutlich. Dies hat auf die Nachfrage, die Produktionslücke und damit auch auf die Inflation einen unmittelbaren dämpfenden Effekt. Die aufgebaute Inflationsträgheit lässt sich jedoch nicht schnell umkehren – im Gegenteil: Das neue Politikregime bringt die Inflation zwar wieder in Richtung Ziel, es gibt aber eine beträchtliche Verzögerung. Entsprechend ist auch der Zeitraum der straf- fen Geldpolitik länger. Die untere Hälfte der Grafik zeigt, was passiert, wenn die Persistenz tatsächlich moderat ist. Im Vergleich zur optima- len Reaktion erzeugt die „robuste“ Politik sowohl einen niedrigeren Inflationsspitzenwert als auch eine schnellere Rückkehr zum Ziel. Die Kehrseite dieses wünschenswerten Ergebnisses ist eine größere Produktionslücke. Der Nomi- nalzins wird zunächst stärker angehoben, fällt dann aber auch schneller wieder. Vergleicht man die Ergebnisse der einzelnen Ansätze, stellt man laut den Autoren fest, dass die robuste Politik vom ge- samtwirtschaftlichen Output her etwa neun Prozent schlech- ter ist als der optimale Ansatz in einer Welt mit moderater Persistenz. Der robuste Ansatz kann im Fall eines Angebots- schocks bei sehr niedrigen Kosten einen hohen Nutzen ent- falten und ist laut Paper einemWait-and-See-Ansatz überle- gen. Ein Fehler in die entgegengesetzte Richtung – also der Glaube an eine moderate Persistenz, obwohl diese hoch ist – führt hingegen zu 60 Prozent höheren volkswirtschaftli- chen Kosten. Case Eurozone Dieses theoretische Modell haben die Autoren nun auf die Eurozone umgelegt. Das Basisszenario folgt den Zinssatz- und Inflationspfaden der Prognose des World Economic Prognoseerwartungen und Persistenz Wie Prognoserevisionen und die Hartnäckigkeit von Inflation zusammenhängen Die Grafik zeigt die Korrelation zwischen der Änderung der Inflationserwartungen für ein und zwei Jahre im Voraus für jeden Teilnehmer der EZB-Umfrage unter Volkswirten über ein gleitendes 20-Quartals-Fenster. Eine niedrige Persistenz der Inflation impliziert eine niedrige Korrelation zwischen Prognoserevisionen. Quelle: IWF/EZB 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 -1,00 -0,75 -0,50 -0,25 0,00 0,25 0,50 0,75 1,00 Median Korrelation zwischen Prognoserevisionen 126 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Euro-Leitzins und Inflation FOTO: © ALEX KRAUS | BLOOMBERG FINANCE LP » Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die restriktive Geldpolitik die Nachfrage stärker dämpft als erwartet. « Christine Lagarde, EZB-Präsidentin

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