Institutional Money, Ausgabe 2 | 2024

die ihre Kreditvergabe an inländische Kreditnehmer infolge deren CO 2 -Besteuerung einschränken, im Gegenzug ihre Kreditvergabe an umweltschädliche Kreditnehmer in ande- ren Ländern ohne CO 2 -Steuern erhöhen. Praxisrelevanz Was kann der Praktiker an Erkenntnissen für den täglichen Umgang im Asset Management aus den Studienergebnissen gewinnen? Sicherlich mehrerlei. Zum einen schlummern in den Bankbilanzen mit hoher Wahrscheinlichkeit einige Zombie-Kredite, bei denen es allerdings nicht nur um Ver- bindlichkeiten „brauner“Unternehmen handeln muss. All- zu oft hat sich schon so manche grüne Start-up- Idee dann doch nicht als weniger markttauglich erwiesen, als die Busi- nesspläne erwarten ließen. Dass sich grün bewegte Investo- ren die Umleitung der Finanzierungsströme weg von den braunen Industrien wünschen, ist evident. Allerdings haben die Ergebnisse der Weltklimakonferenz 2023 in Dubai (COP28) gezeigt, dass es beispielsweise ohne Erdgas in der wohl Jahrzehnte dauernden Übergangsphase zu einer CO 2 - freien Wirtschaft nicht gehen wird. Investitionen und deren Finanzierung sind hier dringend nötig, um eine leistbare und grundlastfähige Energieversorgung sicherzustellen. Auch ohne Bergbau und dessen Finanzierung geht es nicht, verschlingt doch die Energiewende Unmengen an Kupfer, Zink,Nickel, Lithium und Co. Sollen sich westliche Banken, allen voran die europäischen, aus der Finanzierung von Schlüsselrohstoffen künftig heraushalten? Die Konsequenz wäre, dass die Abhängigkeit Europas von Finanziers in an- deren Teilen der Welt – und das sind nicht unbedingt die demokratischsten – noch größer würde. Diese Zielkonkur- renz zu erkennen, das Verhalten der Politik zu antizipieren und sich entsprechend zu positionieren, wird eine der wich- tigsten Aufgaben der kommenden Jahre für Asset-Alloka- teure sein. DR. KURT BECKER Das gläserne Kreditbuch der Banken Wie die Arbeit von Giannetti, Jasova, Loumioti und Mendicino einzuordnen ist D ie Studie mit dem Titel: „Glossy Green Banks: The Disconnect Between Environ- mental Disclosures and Lending Activities“ leis- tet in mehrerlei Hinsicht einen Beitrag zur aktuellen wissenschaftlichen Literatur in Bezug auf die Finanzierung der Energie- und Wirt- schaftswende. Sie bringt aufgrund der granula- ren EZB.-Daten über die Kreditbücher der Ban- ken Licht ins Dunkel und legen die Umweltprak- tiken und den Dekarbonisierungsprozess in Europas Bankensektor offen. Während die euro- päischen Banken nach dem Pariser Abkommen mit überwältigender Mehrheit klimabezogene Ziele angenommen haben, ist die Evidenz darü- ber, ob Banken einen glaubwürdigen Ruf für eine grünere Kreditvergabepolitik entwickeln können, gemischt. So stellen Sudipta Basu, Justin Vitanza, Wei Wang und Xiaoyu Ross Zhu 2022 in „Walking the Walk? Bank ESG Disclosures and Home Mort- gage Lending“ keinen Zusammenhang zwischen dem Social-Score-Rating von Banken und der Vergabe von Hypotheken in armen Gegenden in den USA fest, während Joel F. Houston und Hon- gyu Shan in „Corporate ESG Profiles and Banking Relationships“ 2022 zeigen, dass Banken mit hohen ESG-Ratings mit größerer Wahrschein- lichkeit Konsortialkredite an Kreditnehmer mit ähnlichem ESG-Risiko vergeben. In ähnlicher Weise zeigen Marcin Kacperczyk und Jose-Luis Peydro 2022 in „Carbon Emissions and the Bank- Lending Channel“, dass Banken, die Mitglied in Initiativen wie der SBTi und der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen werden, mehr Konsortialkredite an umwelt- freundlichere Unternehmen zu günstigeren Kon- ditionen vergeben. Nie dagewesene Granularität Den vier Autorinnen ist hoch anzurechnen, dass sie wohl die Ersten sind, die den Zusammenhang zwischen den offengelegten Umweltinformatio- nen der Banken und deren Kreditvergabepraxis ausleuchten. Darüber hinaus stützt sich die vor- handene Literatur zumeist auf große Engage- ments oder Konsortialkredite, die sichtbarer und potenziell weniger anfällig für Greenwashing sind. Giannetti, Jasova, Loumioti und Mendicino hingegen betrachten Veränderungen im gesam- ten Kreditportfolio von Banken, einschließlich der Kredite an kleinere Kreditnehmer, die nicht im öffentlichen Fokus sind und daher weniger wahrscheinlich die Reputation von Banken be- einflussen können. Des Weiteren ergänzen sie die bisherige For- schung, die sich auf die Offenlegung von Nach- haltigkeitsdaten konzentriert. Umweltperfor- mance ist multidimensional, und Manager haben Anreize, selektiv positive Informationen über die Umweltleistung von Unternehmen zu veröffent- lichen, um ihre Finanzierungskosten zu senken, wie ältere Studien darlegen. Bestehende Arbei- ten bieten gemischte Erkenntnisse über die Relevanz von Nachhaltigkeitsinformationen, was in erster Linie durch kleine Stichproben und die empirischen Herausforderungen bei der Erfas- sung nachhaltiger Investitionen für Nicht-Finanz- unternehmen bedingt ist. Obwohl Unternehmen zunehmend Nachhaltigkeitsziele in ihre Ge- schäftsmodelle integrieren, zeigen neuere Stu- dien, dass Unternehmen oft übertreiben, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Vor allem Soohun Kim und Aaron Yoon stellen 2022 in „Active Fund Managers’ Commitment to ESG: Evidence from the United Nations Principles for Responsible In- vestment“ fest, dass Fonds mit einem ESG-Man- dat keine nachhaltigen Anlageentscheidungen treffen. Das Autorinnenquartett trägt zu dieser Forschung bei, indem man neue Erkenntnisse aus dem Bankensektor liefert. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Unzulänglichkeiten des ESG-Ratings, die in der bisherigen Literatur her- vorgehoben wurden, teilweise darauf zurückzu- führen sind, dass sie sich auf die unzureichende Offenlegung der Unternehmen verlassen. 116 N o . 2/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Banken FOTO: © EUROPEAN CENTRAL BANK » Sich umweltbewusst darstellende Banken geben mehr neue Kredite an Firmen in braunen Branchen und nicht mehr Kredite an solche in grünen. « Caterina Mendicino, Adviser Monetary Policy Research der EZB

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