Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

denen Risiken (siehe Grafik „Zu hoher Hebel“). Eine einfache Analyse der Differenz zwischen den Ausschüttungen und dem Ausschüttungswachstum auf der Ebene von Kemble Water zeigt ein ungewöhnliches Bild, nämlich extrem hohe Ausschüttungen im Verhältnis zum freien Cashflow des Unternehmens, was im Wesentlichen bedeutete, dass zukünftige Dividenden auf diesen Zeitpunkt vorgezogen wurden. Dies hätte jeden neuen Eigentümer von Kemble Water zum Nachdenken anregen können, da die Bilanz im Jahr 2017 praktisch ausgeblutet war. Auf den Eigentümerwechsel folgte eine Zeitspanne, in der die Ausschüttungen deutlich unter demDurchschnitt lagen und die Dividenden vollstän- dig verschwanden. Dazu kam noch, dass Kembles Ausschüt- tungsquote (Dividenden als Prozentsatz des Gewinns) im Vergleich zu den Mitbewerbern immer unter der Branchen- Benchmark lagen, obwohl Kemble vor 2015 einen Großteil des Free Cashflows ausgezahlt hatte. Mit anderen Worten: Das Unternehmen, das in Bezug auf die Ausschüttungsquo- te hinter seiner Peergroup zurückblieb, übertraf aber mit der Ausschüttung als Prozentsatz des freien Cashflows die Bran- che, schüttete man doch bis zu 75 Prozent des Free Cash- flows aus, während der Branchenschnitt bei 50 Prozent lag (siehe Grafik „Alarmsignal“) . Als die neuen Eigentümer 2017 das Unternehmen übernahmen, war die Möglichkeit des Investmentobjekts Kemble, überhaupt Dividendenzahlun- gen zu leisten, offenkundig fraglich. Tatsächlich hat das Unternehmen seitdem keine Dividenden ausgezahlt und wird dies voraussichtlich auch vor 2030 nicht tun. Relevante Indikatoren Die letzte rote Fahne hätte gehisst werden können nach einem einfachen Vergleich zwischen den Risikofaktoren von Kemble Water und seinen Mitbewerbern. Zu den wichtigs- ten Indikatoren für das Risiko zukünftiger Cashflows bei Infrastrukturinvestitionen zählen die Größe des Unterneh- mens (Gesamtvermögen), der Gewinn (Kapitalrendite vor Steuern), der Verschuldungsgrad und die Investitionsquote im Verhältnis zumGesamtvermögen. Frühere Untersuchun- gen von EDHEC, namentlich die im Januar 2019 veröffent- lichte Studie von Frédéric Blanc-Brude und Chirsty Tran mit dem Titel „Which Factors Explain Unlisted Infrastructure Asset Prices?“, haben gezeigt, dass diese Faktoren unter ande- rem den Marktpreis des Risikos, den Anleger bei Transaktio- nen verlangen, dauerhaft erklären. Anhand mehrerer Vergleichsgruppen erkennen die EDHEC-Experten, dass Thames und Kemble Water in Be- zug auf die Risikofaktoren deutliche Ausreißer darstellten, was der Kombination aus Größe, geringen Gewinnen und hoher Verschuldung im Vergleich zu einem durchschnittli- chen britischen Wasserversorger und Versorgern in anderen Teilen der Welt geschuldet war. Durch diese – erkennbare – Gemengelage war die Investition eindeutig mit einem hohen Risiko verbunden. Der Vergleich zeigt auf, warum Kemble Water viel höhere gewichtete durchschnittliche Kapitalkos- ten und Eigenkapitalkosten als seine Konkurrenten aufweist: Der Versorger ist viel größer (um den Faktor sechs), viel stär- ker verschuldet (um den Faktor drei) und viel weniger profi- tabel (um den Faktor sechs) als seine Konkurrenten im briti- schen Wassersektor und auf europäischer Ebene. Außerdem investiert er weniger als seine Mitbewerber, was dem typi- schen Melkverhalten einer Cash-Cow entspricht. Resümee Es waren also drei Dinge, die die Alarmsirenen bei den Thames-Water-Investoren hätten erschallen lassen sollen: erstens falsche Incentives durch den zu niedrigen regulato- rischen gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatz, die ein Hochrisikoverhalten förderten; zweitens der Cash- Drain durch hohe Ausschüttungen und die Anhäufung zu hoher Schulden sowie drittens ein zu hohes Niveau bei den Schlüsselrisikofaktoren mit steigender Tendenz, wodurch die Risikoprämie stieg und künftige Cashflows mit höheren Diskontierungssätzen abgezinst werden mussten. Anhand einer Benchmark, die zeigt, wie ein typisches Unternehmen mit den Merkmalen von Kemble Water in Bezug auf Risi- kofaktorexposition, Zinsrisiko und der Wahrscheinlichkeit von Dividendenausschüttungen aussieht, zeigt EDHEC, dass das Unternehmen im letzten Jahrzehnt wahrscheinlich zwi- schen 30 und 50 Prozent seines Werts – allein aufgrund der Entwicklung seines Risikoprofils und des Marktpreises des Risikos – verloren hat. Für in Infrastruktur investierte Institutionelle hält dieser Fall Denkanstöße bereit, die eigenen Infrastrukturinvest- ments einem neuerlichen vergleichenden Check zu unter- ziehen. Für Newcomer gibt die Fallstudie lohnenswerte Hinweise, um nicht in eine ähnliche Falle zu tappen. DR. KURT BECKER Alarmsignal Thames Water schüttet zuerst deutlich mehr als die Peergroup aus. Im Vergleich zu britischen Wasserversorgern respektive den Versorgern auf globaler Ebene schüttete Thames Water bis 2014 drei Viertel seines freien Cashflows (FCF) als Dividenden und in Form von Aktionärsdarlehen an Kemble aus, während der Branchen- schnitt bei 50 Prozent des FCF lag. Man hatte schlicht und einfach Auszahlungen vorgezogen, die Bilanz war damit ausgeblutet. Quelle: infraMetrics ’11 ’10 ’09 2008 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 ’20 ’21 2022 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % Payout as a proportion of Free Cashflow to Equity Thames Water Payout/FCFE Global Infrastructure Payout/FCFE (Median) UK Water Utilities Payout/FCFE (Median) 94 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Infrastrukturinvestment-Risiken

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