Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

Aufarbeitung Damit ein so großer Wasserversorger so schnell so viel an Wert verliert, muss die Investition tatsächlich zuvor schon mehrere Jahre lang falsch bewertet gewesen sein. Das böse Erwachen unter den Private-Equity-Investoren hätte verhin- dert werden können, wenn die Stakeholder – und hier vor allem die Investoren und ihre Berater – in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht und die Charakteristika ihres Thames-Water-Investments mit Markt-, Risiko- und Peer- group-Daten abgeglichen hätten. Um die Aufarbeitung der Malaise verdient gemacht hat sich das EDHEC Infrastruc- ture & Private Assets Research Institute, das mit der aktu- ellen Fallstudie hofft, mehr Problembewusstsein bei den Investoren zu schaffen, sodass sich so ein Desaster nicht wiederholt. Solche negativen Meldungen sind nämlich alles andere als geeignet, die Assetklasse Infrastruktur in einem günstigen Licht zu präsentieren. Ganz so einfach, wie sich der Fall beim schnellen Hin- sehen präsentiert, ist er jedoch nicht. Schließlich bildeten Thames Water und deren Holdinggesellschaft Kemble Water eine komplexe – und nicht immer transparente – Struktur. Das EDHEC Infrastructure & Private Assets Research Institute stellt eine einfache Frage: Hätten Investo- ren bei diesem Geschäft mit diesem Ergebnis rechnen und es daher vielleicht schaffen können, diesen bitteren Ausgang des Investment-Abenteuers zu vermeiden? Laut EDHEC hätte eine einfache vergleichende Analyse aufgezeigt, dass es sich bei diesem Investment um eines mit einem Hochrisikoprofil und gleichzeitig geringer Rendite gehandelt habe, sodass zahlreiche Warnsignale hätten auf- leuchten müssen. Die Investoren hätten allen Anlass gehabt, ihr Engagement zu überdenken, doch stattdessen hofften sie darauf, nur den typischerweise stabilen und vorhersehbaren Charakteristika des Marktes in der Assetklasse Infrastruktur ausgesetzt zu sein. Obwohl Thames Water einerseits ein gro- ßes und einzigartiges Asset und gleichzeitig ein natürliches Monopol und eine der prominentesten Infrastrukturinves- titionen von hoher Visibilität darstellt, ist der Wasserversor- ger andererseits auch wieder nicht so einzigartig, dass man sich ihm nicht systematisch analytisch nähern, seine Beson- derheiten verstehen und ihn mit relevanten Benchmarks vergleichen könnte, um das Risikoniveau und die künftige Performance abschätzen zu können. Die Diskrepanz zwischen dem Wert, den die derzeitigen Investoren von Thames Water für richtig gehalten haben und als fairenWert auswiesen, und jenem, der sich nun kon- kretisiert hat, ist teilweise dem Mangel an „vergleichendem Denken“geschuldet; Investoren konzentrieren sich typischer- weise auf einzelne Vermögenswerte und deren spezifische Eigenschaften und berücksichtigen nicht die systematische Dynamik, die zu Marktpreisänderungen führt. Infrastruktur- anlagen sind zwar etwas Besonderes und in gewisser Weise auch einzigartig, aber Investoren konzentrieren sich mögli- cherweise zu sehr auf die Einzigartigkeit dieser Klasse von Investments und die damit verbundene Geschichte und ver- lieren dabei unter Umständen das große Ganze aus den Au- gen, nämlich den Markt und das Umfeld der Wettbewerber. Psychologische Erklärungen Infrastrukturanlagen und Unternehmen weisen oft einzig- artige Merkmale auf, die einen Vergleich untereinander auf den ersten Blick sehr schwierig erscheinen lassen. Jede Infra- strukturanlage ist eine ganz spezifische Investition, das heißt, Der von EDHEC analysierte „Fall“ Thames River führt vor Augen, dass auch vermeintlich risikoarme Investitionsnischen Restrisiken bergen. Jenseits von Gut und Böse Kapitalkosten von Thames River unrealistisch niedrig von Regulator festgelegt Die britische Behörde Ofwat, die die Wasserversorgungsunternehmen reguliert, hat die realen gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) nach Steuern von Thames Water für den Zeitraum zwischen 2011 und 2022 um ein Mehrfaches zu niedrig angesetzt und damit falsche Anreize geschaffen. Quelle: EDHEC infraMetrics; Ofwat 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 % 4,0 % 4,5 % 5,0 % WACC N o . 1/2024 | institutional-money.com 89 Infrastrukturinvestment-Risiken | THEORIE & PRAXIS FOTO: © GMF

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