Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

den über heimische Pensionseinrichtungen oder andere Finanzinstitutionen zu finanzieren. Das ist der Grund, warum rund 95 Prozent der japanischen Staatsverschuldung im Inland gehalten werden. Man sollte nicht verkennen, dass finanzielle Repression nur eine gewisse Zeit wirkt. In den USA wirkt sie eben nicht, da gibt es keine finanzielle Repression. Und was dann bei einem hohen Schuldenstand passiert, lässt sich an den Finanzmärkten ablesen. In welcher Form? Prof. Lars Feld: Nicht umsonst zahlen die Amerikaner höhe- re Zinsen als Italien – und dies obwohl auch die dortige Notenbank zur Stützung in großem Umfang eigene Staats- anleihen gekauft hat. Da fährt Deutschland mit seiner resi- lienteren Volkswirtschaft besser, weil man beim Auftreten einer Finanzkrise weniger vulnerabel ist als andere Länder. Natürlich wäre Deutschland betroffen, käme es zur Wieder- holung einer internationalen Finanzkrise wie 2008. Aber selbst dann wären die Auswirkungen geringer als in Län- dern, die ihre Verschuldung nicht im Griff haben. Daraus schließe ich, dass Sie auch einer zeitweisen Aussetzung der Schuldenbremse nicht zustimmen würden, um ein konjunkturel- les Tal besser zu durchschreiten. Prof. Lars Feld: Ich bin davon überzeugt, dass die Schulden- bremse so, wie sie jetzt ausgestaltet ist, genügend Spielräume lässt, um mit dem gegebenen Bundeshaushalt in einem zweifellos schwierigen Jahr 2024 mit geringem Wachstum der Wirtschaft flexibel agieren zu können. Und wer die Schuldenbremse ändern möchte, kann ja versuchen, die da- zu notwendige Zweidrittelmehrheit zu organisieren. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass eine Aus- setzung dieser Fiskalregel dazu führen würde, dass der Staat das tut, was man damit erreichen möchte.Denn ich bin mir sicher, dass der Großteil der dann aufgenommenen Schul- den am Ende eben nicht in Investitionen, in Infrastruktur- maßnahmen oder einen Ausbau unserer Verteidigungska- pazitäten fließen würde, im Gegenteil: Der Großteil würde vielmehr für Transfers und Subventionen verwendet. Ver- stehen Sie mich nicht falsch: Ich bin durchaus ein Befürwor- ter von Steuersenkungen, für die es aus meiner Sicht auch mit Schuldenbremse genügend Spielräume gibt. Aber Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen gehen gleich- zeitig nun einmal nur über den Weg einer höheren Ver- schuldung, das ist eine simple finanzpolitische Arithmetik. Bitte noch ein Wort zu Ihren Erwartungen hinsichtlich der Ent- wicklung von Zinsen und Inflation. Prof. Lars Feld: Ich bin froh, dass ich inzwischen nicht mehr der Einzige bin, der mahnt, vorsichtig zu bleiben mit der Erwartung, dass die Inflation sich sehr schnell wieder unter die Zwei-Prozent-Marke bewegen wird. Auch die EZB gibt sich deutlich vorsichtiger, und das zu Recht. Zu meinen, es sei bereits alles ausgestanden und man könne noch in die- sem Jahr mit sechs oder noch mehr Zinsschritten rechnen, dürfte sich inzwischen am Markt als Trugschluss etabliert haben. Ich möchte nur an die Entwicklung in den 1970er- Jahren erinnern. Das war natürlich eine andere Zeit als heu- te, aber auch damals befand sich Deutschland in einer stag- flationären Phase.Und zunächst hatte man eine Entwicklung, in der die Teuerung anfangs zurückging, um dann aber spä- ter durch entsprechende Zweitrundeneffekte erst so richtig anzusteigen. Nicht nur aus dieser Erfahrung heraus wissen wir doch inzwischen eines sehr genau: Der Arbeitsmarkt hinkt in aller Regel der konjunkturellen Entwicklung hin- terher, und zwar sowohl was entsprechende Mengeneffekte, sprich die Arbeitslosenzahlen, als auch Preiseffekte, also die Löhne, betrifft. Daher sollten wir uns in der aktuellen Situation nicht unbedingt in allzu großer Euphorie sonnen. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER 66 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Lars Feld | Walter Eucken Institut der Universität Freiburg FOTO: © ANJA THÖLKING » Ich bin froh, dass ich nicht mehr der Einzige bin, der mahnt, vorsichtig zu bleiben mit der Erwartung, dass die In- flation sich sehr schnell wieder unter die Zwei-Prozent-Marke bewegen wird. « Prof. Lars Feld, Walter Eucken Institut an der Universität Freiburg

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