Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

nichts für eine schwache Bauwirtschaft. Und sie sollte darü- ber hinaus nicht dafür sorgen, dass die durchaus erfolgreiche Politik der EZB konterkariert wird. Ich nehme an, Sie sprechen Ihren Dissens mit Vertretern im Rat der Immobilienweisen an, dem Sie ja auch angehören … Prof. Lars Feld: …was eben nicht automatisch bedeutet, dass ich mit allem einverstanden wäre, was dort diskutiert wird. Die verschiedenen Mitglieder dieses Gremiums schreiben unabhängig voneinander je ein Kapitel des jährlich veröf- fentlichten Frühjahrsgutachtens, um durch entsprechende Prognosen für mehr Transparenz auf den Immobilienmärk- ten zu sorgen. Zwischen den Autoren der unterschiedlichen Kapitel findet aber bewusst keine Koordination statt.Meiner Einschätzung nach ist es jedenfalls keine gute Idee, über Zinsvergünstigungen zur Stützung der Immobilienwirt- schaft zu spekulieren, wie das vom Zentralen Immobilien Ausschuss und auch von Bundesbauministerin Klara Geywitz vorgeschlagen wurde. Denn die Kosten dafür wür- den den in den entsprechenden Vorschlägen veranschlagten Betrag von einer Milliarde Euro bei Weitem übersteigen. Wahrscheinlich wären zehn Milliarden Euro nötig, um die Bauzinsen auf ein Niveau von zwei Prozent herunterzu- subventionieren. Das wäre in der derzeit angespannten Haushaltssituation nicht umsetzbar und würde die Geld- politik konterkarieren. Aber noch einmal zurück zu unserem Ausgangspunkt: Wo liegen die tatsächlichen Ursachen für die wirtschaftliche Misere, in der Deutschland sich heute befindet? Prof. Lars Feld: Deutschland ist als Standort unattraktiv geworden, mit den höchsten Arbeits- und Energiekosten, hoher Steuerbelastung und hohen Bürokratiekosten. Einer der größten Fehler der Amtszeit von Angela Merkel war der Ausstieg aus der Atomenergie. Am Ende stand hinter all dem eine politische Entscheidung, die es zu akzeptieren galt, die aber dennoch falsch blieb. Und es war nicht die einzige Fehleinschätzung. Worauf spielen Sie an? Prof. Lars Feld: Ein Aspekt, der auf verschiedenen Ebenen eine wesentliche Rolle für eine Reihe von Fehleinschätzun- gen in den Folgejahren gespielt hat, waren Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. In Bezug auf die Ursachen muss man allerdings sehr viel weiter zurückgehen an den Anfang der 2000er-Jahre. Damals ging man von einer Bevölkerungsgröße für die zweite Hälfte der 2010er- Jahre in der Größenordnung von 79 Millionen Menschen aus. Diese Zahl war schon seit der EU-Osterweiterung 2005 nicht mehr haltbar; inzwischen liegen wir bei einer Größen- ordnung von gut 85 Millionen. Das heißt, man hat die Kluger Denker und skeptischer Ökonom Prof. Lars Feld , Jahrgang 1966, ist seit 2010 Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik, an der Universität Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts. Feld hat an der Universität St. Gallen pro- moviert und habilitierte sich dort im Jahr 2002. Feld ist Träger des Gustav-Stolper-Preises (2021) des Vereins für Socialpolitik, der als wichtigste Auszeichnung für Öko- nomen im deutschsprachigen Raum gilt. Von 2011 bis 2021 war der Ökonom Mitglied sowie im abschließen- den Jahr Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Februar 2022 hat Bundesfinanzminister Christian Lindner ihn zum „Persönlichen Beauftragten des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirt- schaftliche Entwicklung“ ernannt. 62 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Lars Feld | Walter Eucken Institut der Universität Freiburg FOTO: © ANJA THÖLKING » Nach meiner Einschätzung ist es keine gute Idee, über Zinsvergünstigungen zur Stützung der Immobilienwirtschaft zu spekulieren. « Prof. Lars Feld, Walter Eucken Institut an der Universität Freiburg

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