Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

Prof. Lars Feld: Zwar verfolgen die USA eine expansive Fis- kalpolitik, nicht zuletzt über den Inflation Reduction Act. Allerdings muss man feststellen, dass die USA wesentlich bessere allgemeine Rahmenbedingungen für Investoren bie- tet. Die Steuerreform von Donald Trump hat für Unterneh- men eine kräftige Reduktion der Steuerbelastung gebracht sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen, etwa im internatio- nalen Steuerrecht, die dafür sorgen, dass es sich für Unter- nehmen sehr viel stärker lohnt, in den USA zu investieren als in anderen Ländern. Für die amerikanischen Konzerne gibt es eindeutige steuerliche Anreize, ihre Gewinne im Inland statt im Ausland zu erzielen. Hinzu kommt die geringere Regulierungsintensität, die seit jeher sehr viel niedriger als hierzulande ist; auch unter demokratischen US- Regierungen war die Regulierung schon immer erheblich flexibler. Genehmigungsanträge von Unternehmen werden dort innerhalb von maximal einem halben Jahr bearbeitet, in Deutschland dauert es oft Jahre. Aber das werden doch auch Sie als bekennend ordoliberaler Ökonom nicht der derzeitigen Ampelregierung vorwerfen? Prof. Lars Feld: Das tue ich keineswegs. Zudem muss man einräumen, dass wir es in Deutschland unter konjunkturel- len Gesichtspunkten mit drei Sonderfaktoren zu tun haben, aufgrund derer wir gegenwärtig stärker betroffen sind als andere Länder. Dabei spielt zum Beispiel die ausgeprägte Investitionsschwäche der Bauwirtschaft eine Rolle, die aktuell zuvorderst mit der Geldpolitik zusammenhängt. Wie meinen Sie das genau? Prof. Lars Feld: Die kräftige und sehr schnelle Erhöhung der Leitzinsen und damit der Zinsen am langen Laufzeitende trifft einen stark zinsreagiblen Sektor wie die Bauwirtschaft sofort und unmittelbar. Bezogen auf Deutschland aber war es eben gerade die Bauwirtschaft, die in den vergangenen zehn Jahren eine kräftige Stütze unserer Konjunktur ge- wesen ist. Selbst während der Corona-Pandemie erreichte dieser Sektor noch einen Auslastungsgrad von stattlichen 90 Prozent. Aber auch wenn die Finanzierungsbedingungen straffer geworden sind, wird doch immer noch kräftig gebaut! Prof. Lars Feld: Es ist schon richtig, dass – ganz gleich, wo man hinschaut – immer noch unglaublich viele Baupro- jekte laufen.Oft sind das aber Aufträge aus früherer Zeit, die noch abgearbeitet werden. Insgesamt sieht man schon, dass die Bauwirtschaft aktuell extrem belastet ist. Die Auftrags- eingänge gehen zurück, und Projekte werden in hoher Anzahl storniert. Und damit fällt sie eben als Konjunktur- stütze mehr oder weniger aus. Sie haben aber von zwei weiteren Sonderfaktoren gesprochen.Was war noch gemeint? Prof. Lars Feld: Deutschland hat einen besonders starken und bedeutenden Industriesektor. Deswegen ist unsere Volkswirtschaft von höheren Energiepreisen besonders betroffen. Bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs hatten wir aufgrund von billigem russischem Gas bei den Energie- kosten einen relativen Vorteil gegenüber Asien, insbesondere in einem sehr energieintensiven Wirtschaftsbereich wie der Chemieindustrie. Diesen relativen Vorteil gegenüber Asien haben wir nicht mehr, den haben wir im Grunde inzwi- schen an die USA verloren. Und der dritte Faktor? Prof. Lars Feld: Anders als andere Länder ist Deutschland aufgrund seiner umfangreicheren weltwirtschaftlichen Ver- flechtung sehr viel stärker international exponiert, insbeson- dere gegenüber China. Entsprechend hat der Außenbeitrag eine enorme Bedeutung für die konjunkturelle Entwicklung in unserem Land. Und wenn ein Land wie China ein schwaches Wachstum erlebt wie schon 2023 und wohl auch im laufenden Jahr, so trifft das unsere Volkswirtschaft viel stärker als andere. Aber um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen: Es sind Sonderfaktoren, für die man der Bundesregierung nicht die Schuld geben kann. Sie kann 60 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Lars Feld | Walter Eucken Institut der Universität Freiburg FOTO: © ANJA THÖLKING » Für amerikanische Unternehmen lohnt es sich sehr viel stärker, in den USA zu investieren als in anderen Ländern. « Prof. Lars Feld, Walter Eucken Institut an der Universität Freiburg Für amerikanische Konzerne gibt es eindeutige steuer- liche Anreize, ihre Gewinne im Inland statt im Ausland zu erzielen.

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