Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

MIT 1v2: Der Mann, der nach dem großen Unterschied sucht Der MIT-Ökonom sucht nach Gründen, aus denen Zivilisationen scheitern oder reüssieren. D aron Acemoğlu ist erstens einer der drei meistzitierten Ökono- men der Welt und zweitens eine von zwei MIT-Legenden, die auf dem Insti- tutional Money Kongress Keynotes halten. Acemoğlus Werdegang und akademischer Fokus ist insofern besonders interessant, als er sich von außen betrachtet in zwei Phasen einteilen lässt. Da ist zunächst der auf ein eher klassisches Thema fokussierende Zeit- abschnitt, der ihm früh akademische Aner- kennung und populäre Bekanntheit ge- bracht hat   – hier widmet er sich vor allem dem Erfolg und Misserfolg von Gesellschaf- ten und Kulturen. Aus dieser Zeit stammt seine meistzitierte Arbeit: das aus dem Jahr 2000 stammende Paper „The Colonial Origins of Comparative Development: An Empirical Investigation“, das er gemeinsam mit Simon Johnson und James A. Robinson verfasst hat. In dieser Arbeit nutzen die Autoren Unterschiede in den Sterblichkeits- raten verschiedener Kolonisierungsstile, um den Einfluss von Institutionen auf die wirt- schaftliche Leistung zu schätzen. Die Argu- mentation der Autoren lautet, dass Europäer in verschiedenen Kolonien sehr unterschied- liche Kolonisationspolitiken verfolgten, die mit verschiedenen Institutionen verbunden waren. Die Wahl der Kolonisierungsstrategie wurde zumindest teilweise davon bestimmt, ob Europäer sich in der Kolonie niederlas- sen konnten. An Orten, an denen Europäer hohe Sterblichkeitsraten erlebten, konnten sie sich nicht niederlassen, und sie waren eher geneigt, schlechtere (extraktive) Insti- tutionen einzurichten. Die Auswirkungen dieser frühen Institutionen haben laut Acemoğlu bis heute Bestand. Aus diesem Schwerpunkt heraus stammt 2012 auch der Bestseller „Why Nations Fail: The Origins of Power, Prosperity and Pover- ty“, den Acemoğlu gemeinsammit James A. Robinson verfasst hat. Leicht zugänglich präsentieren die Autoren hier einem breiten Publikum ihre Thesen, die sie beispielsweise an Grenzstädten zwischen den USA und Mexiko herausarbeiten, die geografisch und ethnisch mehr oder weniger ident sind, in den vergangenen 200 Jahren aber unter- schiedlichen Institutionen ausgesetzt waren. Mit „Power and Progress: Our Thousand- Year Struggle Over Technology and Prospe- rity“haben Acemoğlu und Co-Autor Simon Johnson quasi eine Fortsetzung verfasst.Mit dem Sachbuch, das mit dem A.SK Social Science Award 2023 ausgezeichnet wurde, zeichnet sich eine zweite Phase in der akade- mischen Entwicklung des MIT-Ökonomen ab – nämlich ein Fokus auf die Auswirkun- gen von neuen, disruptiven Technologien. Diese neue Phase wird auch in der akade- mischen Publikationstätigkeit bestätigt. Das im März erschienene NBER-Paper „Capital and Wages“ beschäftigt sich unter anderem mit dem Einfluss neuer automatisierender Technologien auf die Lohnentwicklung. 2023 arbeitete er an „The Impact of Genera- tive Intelligence on Socioeconomic Inequa- lities and Policy Making“ mit, das einen interdisziplinären Ausblick auf die Heraus- forderungen einer KI-dominierten Gesell- schaft bringt und herausarbeitet, in welcher Richtung noch besonderer Forschungsbe- darf besteht. Suche nach dem Geheimnis des Erfolgs D aron Acemog˘lu ist Elizabeth & James Killian Professor für angewandte Ökonomik sowie Institute Professor am Massachusetts Institute of Technology. Er arbeitet außerdem beim National Bureau of Economic Research und Centre for Economic Policy Research. Ihm wurde 2005 die John Bates Clark Medal verliehen, 2012 der Nemmers-Preis für Wirtschaftswissenschaften und 2016 der BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Award. 2019 gewann er den Weltwirtschaftlichen Preis, 2023 den A.SK Social Science Award. 2006 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt ebenso wie 2014 in die National Academy of Sciences und 2021 sowohl in die American Philosophical Society als auch in die British Academy. Seit 2022 wird er aufgrund seiner Zitierungen von Clarivate Citation Laureates als Anwärter auf den Nobelpreis gelistet. In diversen Wissensdatenbanken wird er als der am drittöftesten zitierte Ökonom der Welt gelistet. Einem brei- ten Publikum ist er seit 2012 durch die Publikation seines Bestsellers „Why Nations Fail“ bekannt. » Zuletzt fokussierte sich Acemog˘lu auf die Auswirkungen disruptiver Technologien auf Gesellschaft und Wirtschaft. Er zieht Parallelen zwischen Ver- gangenheit und KI-Zukunft. « » Acemog˘lu nützt Unterschiede in den Sterblichkeitsraten ver- schiedener Kolonisierungsstile, um den Einfluss von Institutio- nen auf die wirtschaftliche Leistung zu schätzen. «  42 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | IMK-Starredner FOTO: © LARRY HETHERINGTON „The Colonial Origins of Comparative Development: An Empirical Investi- gation“: im-online.com/ACE124 „Capital and Wages“: im-online.com/ACE2124

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