Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024
Nobelpreisträgerin an der Spitze der Charts Je nach Datenbank ist Esther Duflo die einflussreichste oder zweiteinflussreichste Ökonomin der Welt. E sther Duflo ist, je nach Zählweise und gemessen an der Zahl ihrer Zitierungen, die einflussreichste oder zweiteinflussreichste Ökonomin der Welt. Geht man nach den reinen Zitierun- gen, die von der Wissensdatenbank SSRN erfasst werden, sind es inzwischen mehr als 8.000, womit die Starökonomin Carmen Reinhart (z. B. „This Time is Different“ ge- meinsam mit Kenneth Rogoff) auf Platz zwei verwiesen wird. Gemäß der ebenso umfassenden Daten- bank von IDEA, deren Ranking einen ge- wichteten Ansatz verfolgt, ist Duflo die zweiteinflussreichste Ökonomin der Welt. Die am häufigsten zitierte Arbeit der gebür- tigen Französin, die sie gemeinsam mit Ma- rianne Bertrand und Sendhil Mullainathan im Jahr 2002 verfasst hat, trägt den Titel „How Much Should We Trust Differences- in-Differences Estimates?“. Im Rahmen des Papers analysieren die Autoren Stärken und Schwächen von Differenz-von-Differenzen- Schätzungen (Anm.: Difference-in-Diffe- rences Estimates; DIDE) und kommen zu dem Schluss, dass der DvD-Ansatz in seiner herkömmlichen Verwendung den Standard- fehler der geschätzten Wirkung der unter- suchten Intervention erheblich unterschätzt. Um dem Autokorrelationsproblem zu begegnen, machen Bertrand, Duflo und Mullainathan abschließend drei Lösungs- vorschläge: einen Zusammenfall der Daten in Zeiträume vor und nach der Interven- tion, die Verwendung einer speziellen Kova- rianzmatrix oder die Verwendung von Tech- niken, die auf Randomisierungs-Inferenz- Testmethoden basieren. Überraschende Erkenntnisse Die Arbeit bietet einen guten Einblick in die wissenschaftliche Basis der erst zweiten und jüngsten Trägerin des Nobelpreises für Wirtschaft – die die ehemalige Obama-Bera- terin vom Schreibtisch weg und in die Feld- arbeit vor Ort geführt hat. Legendär ist in diesem Zusammenhang ein Projekt in Kenia, wo sie und ihr Team nach Wegen suchten, den lokalen Schul- besuch möglichst effizient zu fördern. Im Rahmen der Randomized Impact Evaluation, mit deren Hilfe man ursprüng- lich die Wirksamkeit von Medikamenten durch den Vergleich zufällig zusammenge- setzter Gruppen prüfte, erfasste sie an 75 Schulen mit 30.000 Kindern deren Umfeld und Verhaltensmuster. Das unerwartete Ergebnis: Ammeisten würden den Kindern Medikamente gegen Würmer helfen, da es vor allem parasitärer Befall war, der die Kinder schwächte und so am stärksten vom Unterricht abhielt. Ihr enormer Drang, mit Forschung tat- sächlich Dinge zu bewegen, führte dazu, dass sie nicht nur für eine begrenzte akademische Elite publizierte, sondern auch Bestseller wie „Poor Economics: The Surprising Truth about Life on Less Than $1 a Day“ auf den Markt brachte. Zuletzt erschien der Nachfol- ger „Good Economics for Hard Times: Better Answers to Our Biggest Problems“. Auf akademischer Ebene erschien zulezt das NBER-Paper „Chat Over Coffee? Dif- fusion of Agronomic Practices and Market Spillovers in Rwanda“. Ein Leben auf der akademischen Überholspur E sther Caroline Duflo , 1972 in Paris geboren, ist eine französisch-amerikanische Ökonomin am Massa- chusetts Institute of Technology, wo sie die Abdul-Latif-Jameel-Professur für Armutsbekämpfung und Entwicklungsökonomie innehat. Nach dem Erhalt ihres Ph.D. wurde Duflo 2004 zur vollwertigen MIT-Professorin für VWL befördert. Von 2001 bis 2002 lehrte Duflo des Weiteren als Gastprofessorin an der Princeton University. 2003 gründete sie gemeinsam mit Sendhil Mullainathan und Abhijit Banerjee am M.I.T. das Poverty Action Lab, dessen Direktorin Duflo 2004 wurde. Dort widmet man sich der Entwicklung neuer Methoden zur Armutsbe- kämpfung und der Bewertung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch randomisierte kontrollierte Feld- experimente. Der damalige US-Präsident Barack Obama hat sie 2012 in den Beratungsrat für globale Entwick- lung berufen. 2019 wurde sie mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Zwei Sachbücher zur Armutsbekämpfung landeten auf den internationalen Bestsellerlisten. „How Much Should We Trust Differences-in-Differences Estimates?“: im-online.com/DUF124 40 N o . 1/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | IMK-Starredner FOTO: © BRYCE VICKMARK » Legendär ist in diesem Zusammenhang ein Projekt in Kenia, wo sie und ihr Team nach Wegen suchten, den lokalen Schulbesuch möglichst effizient zu fördern. « » Esther Duflo kam zu dem Schluss, dass der DvD-Ansatz in seiner herkömmlichen Ver- wendung den Standardfehler (…) erheblich unterschätzt. « „Chat over Coffee? Diffusion of Agronomic Practices (…)“: im-online.com/DUF2124
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