Institutional Money, Ausgabe 1 | 2024

dem Konsultationspapier der EIOPA zu diesem Thema ge- he hervor, dass die Eigenkapitalanforderungen für Anlagen in Aktien und Unternehmensanleihen, die Nachhaltigkeits- risiken ausgesetzt sind, deutlich erhöht werden sollen. Orientierung an Daten Boxberger hätte sich hier bereits im Review eine konkrete Haltung gewünscht: „Leider sieht der Review weder einen Green-Supporting- noch einen Brown-Penalising-Faktor vor. Das wäre im Sinne des Green Deal aber sinnvoll gewesen, um Gelder für solche Investitionen freizuschaufeln“, so Box- berger. Weil sein Haus fast ausschließlich Artikel-8- und -9- Fonds anbietet, hätte er sich privilegierte Kapitalanforderun- gen für ESG-konforme Investitionen gewünscht. GDV-Mann Asmussen warnt hingegen davor, den Grund- gedanken von Solvency II durch die Einbringung von poli- tischem Wunschdenken zu gefährden: „Wir sollten im Sol- vency-II-Regelwerk bei Dingen bleiben, die evidenz- und datenbasiert sind. Es wäre nicht systematisch, einen Kapital- aufschlag für Dinge zu berechnen, die in den Daten nicht zu finden sind. So etwas gehört nicht in Säule I von Sol- vency II, die Berechnung der Kapitalanforderungen, sondern allenfalls in Säule II, die unternehmenseigene Risikobetrach- tung. Dort haben wir imORSA bereits verschiedene Analy- sen von Klimaszenarien.“ Da im ORSA-Prozess die unter- nehmenseigene Strategie und Risikoeinschätzung analysiert wird, ist es auch für Klimarisiken der richtige Ort, zum Bei- spiel um nicht auf Stranded Assets sitzenzubleiben. Er sieht aber durchaus das Dilemma: „Der datenbezogene Ansatz in Säule I arbeitet naturgemäß mit Daten und Ver- teilungen aus der Vergangenheit. Das Problem beim Thema Klimawandel ist, dass sich die Risiken möglicherweise erst in die Daten hineinfressen, aber in den Vergangenheitsdaten noch nicht sichtbar sind.“ Das sei eine Herausforderung. „Die EIOPA hat beim Thema Fossil Fuels Hinweise auf er- höhte Transitionsrisiken gefunden, aus denen man mögli- cherweise etwas ableiten kann. Wir sehen hier aber keine hinreichende Evidenz für Anpassungen im Standardmodell. Die Abschätzung der minimalen Auswirkungen zeigt ohne- hin ganz klar: Auswirkungen auf den Schutz der Versiche- rungsnehmer oder die Finanzstabilität hätte dies ohnehin nicht“,meint Asmussen. Scarsini verweist aufs Ausland: „Kli- maszenarien sind für alle Versicherungsregulatoren ein wich- tiges Thema – nicht nur in der EU, sondern auch in Groß- britannien, Bermuda und den USA. In Großbritannien wur- den in den letzten Jahren mehrere Stresstests durchgeführt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Versiche- rungssektor zu bewerten, und die Idee, das Klimarisiko in den Kapitalrahmen aufzunehmen oder nicht nachhaltige In- vestitionen direkt mit einem Kapitalzuschlag zu bestrafen, hat sich bisher nicht durchgesetzt.“ Verbriefungen Der EU-Regulator betrachtet auch das Spread-Risiko für Verbriefungen. „Die Spreads für Verbriefungen haben sich in den letzten Jahren erweitert.Das stellt ein Liquiditätsrisiko für Investoren dar, das nun überprüft wird“, erklärt Müller- Reichart. Das habe zwar jetzt noch keine Auswirkungen, könnte aber künftig zu Konsequenzen in der Kapitalanlage führen. Ganz generell hebt Scarsini mit Blick auf die breitere Kategorie der Spread-Produkte hervor: „In den letzten Jah- ren gab es mehrere Schocks an den Finanzmärkten, die zu mehr Volatilität bei den Spreads von Credit-Produkten ge- führt haben. Künftig sollen die Portfolios besser gegen Spread-Änderungen immunisiert werden, indem beispiels- weise der Volatilitätsanpassungsmechanismus effektiver zur Stabilisierung der Versicherungsbilanz eingesetzt wird.“Er ist der Meinung, dass es Versicherungen weiterhin erlaubt sein sollte, in Spread-Produkte zu investieren: „Richtig eingesetzt, zahlt das auch auf das Nachhaltigkeitsziel der EU ein. Bei- spielsweise könnten Investitionen in Private Assets und liqui- de Instrumente ausgeweitet werden – natürlich unter der Voraussetzung, dass im Asset-Liability- und Liquiditätsma- nagement alles sauber läuft.“ Asmussen bleibt beim Thema Verbriefungen gelassen: „Verbriefungen sind in der Diskussion, aber aktuell spielen sie für uns in der Kapitalanlage keine große Rolle.“ Keine Rückkehr zu vollen Garantien Der Review lässt den Druck auf langfristige Garantien, wie sie im Lebensversicherungsbereich vorkommen, ansteigen. Die Frage ist, wie das die Geschäftsmodelle der Versicherer beeinflussen wird. „Der Druck kommt aus der klassischen Garantie, wo der Garantiezins über die gesamte Laufzeit der Police bis zu 4,0 Prozent betragen hat“, erklärt Müller-Rei- chart. Aktuell liegt der Höchstrechnungszins für Neuverträ- ge bei 0,25 Prozent; allerdings hat die Deutsche Aktuar- vereinigung (DAV) angesichts des deutlich gestiegenen Zins- niveaus empfohlen, den Garantiezins ab 2025 auf 1,0 Pro- zent anzuheben. Sollte das Bundesfinanzministerium der DAV-Empfehlung nachkommen, wäre das seit 30 Jahren die erste Anhebung des Höchstrechnungszinses. Während der Niedrigzinsphase sind Lebensversicherun- gen von langlaufenden fixen Garantien abgerückt und bie- ten im Neugeschäft überwiegend hybride oder gänzlich fondsgebundene Tarife an, die gar keine Garantien mehr enthalten. Es stellt sich die Frage, ob dieser Trend anhält, da es nun wieder höhere Zinsen gibt. „Ich sehe keine Rück- N o . 1/2024 | institutional-money.com 257 Solvency II | STEUER & RECHT » Klimaszenarien sind für alle Versicherungsregulatoren ein wichtiges Thema – nicht nur in der EU, sondern auch in Großbritannien, Bermuda und den USA. « Alberto Scarsini, Insurance Advisory Director, EMEA, Schroders Der Regulator setzt eine noch stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfakto- ren durch – nicht nur im ORSA, sondern nun auch in der Kapitalanlage.

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